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Wozu ist die ÖVP eigentlich (noch) gut?

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Die ÖVP scheint derzeit geradezu versessen darauf, ihre Bedeutungslosigkeit zu beweisen. Gewiß drängt sie in der Koalition recht energisch auf das Zustandekommen nötiger Sachlösungen. Wolfgang Schüssel hat durch einen sehr mutigen Schritt erzwungen, daß die Politik des ewigen Schuldenma-chens beendet wurde. Dennoch hat niemand den Eindruck, er habe das Gesetz des Handelns in der Hand. Wozu ist die ÖVP also (noch) gut?

Das war früher keine Frage. Die Volkspartei verhinderte zumindest, daß Österreich sozialistisch wurde. Sie vertrat beharrlich die Anliegen der Wirtschaft und der Bauern. Für all das wird sie aber heute nicht mehr wirklich gebraucht. Klima & Co. haben ihre marktwirtschaftliche Lektion längst gelernt. Es gelang ihnen nämlich, sowohl in ihrem vertrauten Fach „politische Macht", als auch in Ökonomie zu reüssieren. Die Fleißaufgabe Creditanstalt—Bank Austria wurde zum Meisterstück. Doch die nach Erfolg strebenden Schüler beider Regierungsparteien vernachlässigen jene Fächer, ohne die sie ihr Ziel nicht schaffen können: Sie sind schwach in den humanistischen Gegenständen.

Die in einer sich dramatisch verändernden Welt ablaufenden Prozesse sind mit den herkömmlichen Mitteln nicht mehr steuerbar. Jeder, der sagt, er wüßte, „wo's langgeht", lügt. Unsicherheit und auch Fehlschläge muß man den Regierenden heute jedenfalls verzeihen, sofern sie nur ein entsprechendes Remühen an den Tag legen. Das geschieht in Österreich zweifellos. Was aber eindeutig fehlt, ist die erkennbare geistige Orientierung und die Festigkeit bei ihrer. Rewahrung. Wie sieht die gerechte, lebenswerte Gesellschaft» aus, die von der Politik verwirklicht werden will.

Seit längerer Zeit schon spricht man von der „Entideologisierung" unserer Politik. Jetzt steigert sie sich zur „Entidealisierung". Dies betrifft keineswegs die Volkspartei allein. Sucht man heute nach Leitbildern und Wertmaßstäben, stößt man auf eine verdorrt-skurrile geistige Landschaft der Politik, aber auch der Medien. Was einigermaßen blüht, ist eine linke Überheblichkeit, die einfach alles niedermacht, was angeblich neonazistisch, reaktionär, frauen-oder ausländerfeindlich ist. Daneben entdeckt man wieder einen naiven Antikapitalismus, von dem auch manche kirchliche Kreise angesteckt erscheinen. All dies ist von einer wehleidigen Grundstimmung überdeckt, die alle Machthaber anklagt und kommendes Elend prophezeit.

Der Befund erscheint klar. Die Rolle einer optimistisch wertorientierten Politik, die soziale, ökologische und ökonomische Schau tüchtig miteinander vereint, ist in der ideologischen Szene verwaist. Ebenso die des Hüters von Anstand, guten Sitten und menschlichem Umgang miteinander. Auch die Volkspartei vernachlässigt diese Rereiche. Sie erscheint geistig ausgetrocknet, unfähig, ruhig nachzudenken und zu diskutieren. Daß die ÖVP immer weniger attraktive Leitfiguren hervorbringt, hängt damit zusammen, daß es an einer gemeinsamen Motivation der Idee und damit auch am einigenden Band fehlt. Wenn ein Landeshauptmann auf die Idee kommt, Parteisitzungen wegen erlittener Kränkung zu boykottieren, so kann der eigentliche Grund dafür nur sein, daß er weiß, ohnedies nichts zu versäumen, wenn er fehlt. Er muß nicht fürchten, daß er seine Ration geistiger Verpflegung versäumt. Solange diese Nahrung nicht wieder produziert wird, gibt es keine Chance für die ÖVP. Ein gründliches Umdenken muß sehr bald stattfinden, wenn nicht katastrophale Folgen eintreten sollen. Die Volkspartei wird sich entweder als durch und durch idealistische politische Gemeinschaft oder gar nicht mehr behaupten.

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