Gefällige Arrangements, Schulatmosphäre

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"Am Theater an der Wien trifft man nicht ansatzweise auf die das Original bestimmende fantastische Feenwelt, man wird mit Schulatmosphäre konfrontiert."

Am Schluss ein Schrei, den niemand hört. Die Monroe ist an der Welt und sich zerbrochen. Zwanzig Jahre alt war Gavin Bryars, als er Marilyn Monroes letzten Film, "The Misfits", sah, der Beginn seiner Leidenschaft für die Schauspielerin. Trotzdem dauerte es bis Ende der 1990er-Jahre, ehe Bryars, der sein Philosophiestudium bald gegen den Komponistenberuf getauscht hatte, sich entschied, eine Kammeroper über die letzten Stunden der Monroe zu schreiben, in der sie noch einmal Niederlagen und Glanz Revue passieren lässt. Ein Auftrag des auf zeitgenössische Musik spezialisierten Aventa Ensembles, zugrunde liegt ein Libretto der auf Vancouver Island lebenden Schriftstellerin Marilyn Bowering.

Im September 2013 kam der Einakter "Marilyn Forever" am Mc-Pherson Playhouse Theatre im kanadischen Victoria heraus. Jetzt erlebte er seine österreichische und europäische Erstaufführung durch die dafür das Kasino am Schwarzenbergplatz bespielende Volksoper Wien.

Dass man damit nicht an den Erfolg anschließen kann, den man hier im Vorjahr mit "Limonen aus Sizilien" hatte, hat mehrere Gründe. Vorweg Bryars vom Jazz angeregte, weniger dichte und spannungsvolle Musik, die kaum je in die Psychologie der beiden Hauptprotagonisten -Rebecca Nelsen gibt Marilyn, Morten Frank Larsen ebenso engagiert ihre Männer - blicken lässt, geschweige denn sie intensiver kommentiert. Zwar bietet die Spielstätte, für die sich Jörg Brombacher mit einer Marlyn-Statue, einem Marilyn-Bild, einer zuweilen von sechs Männern bevölkerten Bar, einem Fauteuil und einer Bank sowie einem großen Bett Requisiten hat einfallen lassen, womit er eine stimmige Atmosphäre schafft, wenig Platz. Dennoch hätte Regisseur Christoph Zauner diese Szenerie zu mehr als gefälligen Arrangements, vor allem in Bezug auf die Personenführung, nützen können.

Untadelig die von Wolfram-Maria Märtig von einem kleinen Orchester samt Jazztrio, Saxofon und Klavier realisierte, die fünfviertel Stunden der Aufführung nur zum Teil tragende Musik. Die Volksoper sollte dies aber nicht entmutigen, die zeitgenössische Schiene im Kasino weiterzuverfolgen. Für die nächste Saison ist Thomas Adès Zweiakter "Powder Her Face" aus 1995 avisiert.

Die Albträume des Schülers Puck

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Davon hat sich Regisseur Damiano Michieletto offensichtlich für seine ungewöhnliche Version von Benjamin Brittens "A Midsummer Night's Dream" leiten lassen. Denn am Theater an der Wien trifft man nicht ansatzweise auf die das Original so bestimmende fantastische Feenwelt, sondern wird mit einer Schulatmosphäre konfrontiert. Puck ist ein der Kommunikation nur bedingt fähiges, schwieriges Schulkind, Oberon sein Vater, mit dem er wiederholt Konflikte austrägt, Tytania seine ebenfalls schon verstorbene Mutter. Erst als er ihren Tod akzeptiert, wird der Weg für seine eigene Identität frei. Die schließlich ihre Partner findenden Lysander, Demetrius, Hermia und Helena werden zu Schülern, die eben erst ihre Pubertät erkannt haben, Theseus und Hippolyta zu von spätem Frühlingserwachen erfüllten Lehrern. Folgerichtig tauschen auch die jungen Choristen das Elfenkleid gegen die Schuluniform.

Paolo Fantin ließ sich für die Bühne, passend zu dieser eigenwilligen Umdeutung oder Neuinterpretation, wie immer man das sehen will, von einem altmodischen Turnsaal inspirieren. Darin wird auch das als Parodie zum üblichen Opernbetrieb gedachte Schauspiel "Pyramus und Tisbe" geprobt und von den unmissverständlich mit Homoerotik kokettierenden Jugendlichen pointenreich präsentiert. Was allerdings jugendliche Schüler, die hier die Zuschauerkulisse abgeben müssen, damit anfangen können?

So wie Michieletto mit seinem Zugang dem Stück alle Poesie, Vision, vor allem Zauber nimmt, so wenig wurde der ausdrückliche Wunsch Brittens erfüllt, diese Oper mit differenziert agierenden, vor allem nicht lautstark auftrumpfenden Sängern zu besetzen. Denn diesen Anspruch erfüllte nur der überragende Bejun Mehta als auch schauspielerisch bestechender Darsteller des Oberon. Antonello Manacorda am Pult der unterschiedlich souveränen Wiener Symphoniker erwies sich mehr als umsichtiger Koordinator zwischen Orchestergraben und Bühne denn als inspirierender, die Feinheiten der Partitur subtil herausarbeitender Interpret.

Marilyn Forever Volksoper, 19., 22., 25. April

A Midsummer Night's Dream Theater an der Wien, 19., 21., 23. April

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