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Kontinent abgeschnitten

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England - abgehakt. Frankreich - abgehakt. Deutschland ... Mit dieser Schlagzeile stimmt die Zeitschrift „Freitag aktuell”, das wöchentliche Propagandablatt der SPÖ für ihre Funktionäre, die Leser auf eine sozialdemokratische Zukunft Europas ein.

Man kann den Jubel der Sozialdemokraten verstehen, auch wenn man ihn für nicht berechtigt hält.

Die Sozialdemokraten wurden nicht gewählt, weil sie die besseren Konzepte haben. Sie wurden gewählt, weil viele Leute in Europa das Gefühl haben, der Boden unter ihren Füßen beginne zu wanken. Die Konservativen konnten nicht mehr begreiflich machen, was sie bei all den Änderungen, die sie weniger ausgelöst haben als vielmehr nicht verhindern konnten, eigentlich bewahren wollen.

Die Menschen votierten für die Bewahrung einer Welt, von der sie instinktiv spüren, daß sie sich nicht bewahren läßt. Sie stimmten auch gegen eine Welt, die ständig Verluste macht: an Arbeitsplätzen, elementaren Sicherheiten, Verluste im Staatshaushalt, Verluste vor allem an Zukunftshoffnung.

Es war also eine Richtungswahl. Aber nicht die zwischen den Konservativen und den Linken, sondern zwischen zwei „linken” Modellen. Dem des Engländers Tony Blair und dem des Franzosen Lionel Jospin.

Jospin, schon als Person ein Mann von gestern, vertritt ein Programm der 70er Jahre, das noch dazu die typisch französischen Traditionen des allmächtigen Staates verkörpert: Arbeitsplätze schaffen im öffentlichen Dienst, Ankurbelung der Wirtschaft durch vom Staat finanzierte öffentliche Investitionen, vom Staat gesteuerte Unternehmen statt Privatisierung.

Das alles geht nur mit größerer staatlicher Verschuldung, und diese wird letztlich bezahlt mit geringerer Währungsstabilität.

Bis vor kurzem zeigten die Franzosen mit dem Finger auf Deutschland, das mit seiner Obsession einer stabilen Währung alle übrigen Europäer in Geiselhaft nehme. Das brauchen sie jetzt nicht mehr. Die Deutschen haben den Sündenfall begangen und sind nun wie alle anderen.

Damit sind paradoxerweise wieder die Voraussetzungen für den Euro geschaffen. Aber nicht für einen Euro, der so stark ist wie die D-Mark, sondern eben den, den die Europäer haben wollen.

Nur einer macht da nicht mit: Blair. Er hat das in Malmö seinen Freunden offen gesagt: Wenn Europa sich dem notwendigen Wandel entzieht, wähle es den Weg in den Niedergang. Großbritannien möchte er nicht dabei sehen, und am Euro ist er ohnehin nicht interessiert. Er orientiert sich an der angelsächsischen Welt.

Damit wird sich das Bonmot bewahrheiten, das vor Jahrzehnten ein britischer Badiosprecher im Wetterbericht geprägt hat: „Schwere Stürme im Kanal. Der Kontinent abgeschnitten.”

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