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Jetzt plätschert also die Zeit des G'spritzten wieder in die des Sturms mit nachfolgendem Drang. Der Fehler, bei unseren nordlichternen Nachbarn einen G'spritzten zu bestellen, unterläuft mir bestimmt nicht mehr: Schorle... Süß oder sauer? Schauer! Und Federweiser klingt ja eher nach einem Malerutensil als nach einem süffigen Dürstlöscher. So schmeckt er auch.

In die Zeit der länger werdenden Abende fallen auch die Törggelefahr-ten. Das heißt auf innerösterreichisch: Ausg'steckt is, für die Teilnehmer einer preußisch geführten Zechtour: Da hamwir mal 'ne Buschenschenke heimjesucht. Mann, det mußte mal erleeben!

So naheliegend es aus Beobachtungen der Statik auch wäre, kommt das Wort Törggelen nicht von torkeln, sondern vom Namen unserer südlichen Nachbarn für die Weinpresse. Die meinen übrigens, daß die Saufund Kotzomnibusse, von denen sie zur Zeit der Weinlese heimgesucht werden, unsere Rache für die schwam-merlmähenden Italienertrupps vom Sommer seien. Ein Grund mehr, sich wieder einmal der nationalen Erbosung hingeben zu können...

Es ist gigantisch, welches Vermögen in flüssige Werbung versiegt. Kennen Sie den Preis für so ein paar Quadratmeter zu jeder Tages- und Nachtzeit, bei Sturm, Hitze, Regen und Langeweile lockender Quelle?

Allerdings, in diesem Wässerchen, das kein Gefühlchen zu trüben scheint, müssen schon ganz teuflische Ingredienzien sprudeln, daß es bei seinem Genuß zu derart lasziven Dreieckssituationen kommt. Mir dienen diese Plakate immer als Barometer, wer gerade in der Meinungsgunst am Ball ist: Killerbienen oder Machos.

Werbung muß locken. Werbung macht lüstern. Von einem gewissen Braumeister mit Stielaugen gar nicht zu reden. Ich kenne diese Technik von meinem kleinen Fotoapparat her: Was ich scharf haben möchte, muß im grünen Fensterl erscheinen... Allerdings, wenn ich mir vorstelle, daß ich nach einem herzhaften Milchgenuß so erfolgreich aussehe, wie eines dieser verwackelten Models. .. Na, prost!

Wann wird etwa auch bei uns auf jedem Doppler der Aufdruck warnen: „Vorsicht, dieser Schluck kann Ihrer Gesundheit schaden!"?

Österreich soll ja mit der Zahl seiner be- und unerkannten Alkoholiker nicht so weit hinten liegen wie in seiner Hilfsbereitschaft für andere Unterentwickelte. Das ist vielleicht auch der Werbung zu danken. Wie will heutzutage ein Mann noch beweisen, daß er ein solcher ist, wenn nicht durch Härte in der Wahl seines Getränks, beziehungsweise durch die Wahl der Härte desselben?

Das Hemd ist halt doch näher als der Rock; der Blick in die Flasche ist leichter zu realisieren als derauf ferne Trockengebiete. Erster Kommentar eines noch nicht völlig Verdorrten, als er in ein Treffen anonymer Alkoholikergeriet: Wenn de nur Almdudd-ler hobn, geh i wieda ham...

Nach Adam Tintingers Recherchen währt ein Süfflerleben durchschnittlich elf Jahre länger als das eines Abstinenzlers. Über die Qualität dieser ertrunkenen Jahre läßt er leider nichts verlauten.

Sollte die Berechnung jedoch fehlerhaft gewesen sein, wäre am Ende nur Tintingers arme Leber der Tintinger. Aber ein wahres Opfer der Werbung schwämme dann wohl unverdrossen auf der Milz weiter. Salute!

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