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„Hautnahe Duelle“

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Die neuen ÖVP-Statuten, die vom Parteitag im Herbst beschlossen werden sollen, bieten eine echte Überraschung. Parteiobmann Karl Schleimer hat mit ihnen offensichtlich einen erstaunlichen innerparteilichen Erfolg errungen.

Damit ist eine weitere Runde im ÖVP-Clinch an Schleimer gegangen: Hatte doch zuerst der Generalsekretär den Vorsitz im Statutenausschuß eingenommen und hatte man Schleimer gerade an der Statutenfront keinen Sieg zugemutet; vielmehr gab es zahlreiche Schleinzer-Gegner innerhalb der Führung der Volkspartei, die gerade die Statuten als Tummelfeld „heiliger Kühe“ für Bünde und Länder betrachteten und Schleimer keine „Schlächterguali-tät“ bescheinigten. Tatsächlich aber umfaßt die Reform nun weit mehr und kann weit tiefer gehen, als es etwa Josef Klaus und Hermann Wit-halm je angestrebt, geschweige denn erreicht hätten.

Vor allem war es das Geschick Schleinzers (so Mitglieder des Ausschusses), Prestigeprobleme erst gar nicht aufkommen zu lassen und auch den betroffenen Bünden die sachliche Notwendigkeit der Reform verständlich zu machen. Dabei half ihm ganz besonders das verjüngte Management der bündischen Generalsekretäre, die die Statuten.der Volkspartei viel eher pragmatisch sehen als die „alten Hasen“ in den Teilorganisationen.

Zwar ist nicht zu übersehen, daß etwa ein zentrales Mitgliedsbeitragsinkasso wieder nicht möglich sein wird und daß hinsichtlich der nicht-bündischen (bisher D-) Mitglieder wieder keine verstärkte Vertretungsmöglichkeit vorgesehen ist — daß schließlich auch keine weiteren Obmannstellvertreter obseits des Bündeproporzes gewählt werden können; aber alles in allem handelt es sich doch um Veränderungen, die nicht nur optischen Wert haben.

Insbesondere die Neuregelung der Kandidatenaufstellung ermöglicht es jetzt auf breiter Basis, Vorwahlen für alle Parteimitglieder einzuführen, und anderseits wird das ehemalige „Bundespräzipuum“ gleichfalls verwirklicht. Der Bundes-, aber auch Landesparteileitung wird es nun möglich sein, wichtige und notwendige Persönlichkeiten für die Klubs auf eine Liste zu bugsieren, selbst wenn sie keine bündische Verankerung haben und sich nicht via

Sprengelinkasso hochgedient haben sollten.

Auch ist es gelungen, eine Altersklausel unterzubringen (übrigens auch für die Jugendbewegung), Ämterkumulierungen und fortgesetzte Funktionsperioden zumindest ein wenig einzuschränken: Fortan müssen Funktionäre bei Antritt einer vierten Funktionsperiode eine Zweidrittelmehrheit für ihre Aufstellung erhalten.

Kritiker haben sich hingegen bereits zur beschlossenen Erweiterung des Parteipräsidiums geäußert: Was die ÖVP — so wie sie ist — eigentlich braucht, ist ein ganz kleines, aber optimal und rasch entscheidungsfähiges Gremium — nicht aber einen Rat zwölf weiser Männer und Frauen. Es sollte in der Volkspartei zur Kenntnis genommen werden, daß sie es bei der Konstitution der derzeitigen SPÖ in Regierung und Partei mit einem Ein-Mann-Apparat Bruno Kreiskys zu tun hat — was wesentliche Entscheidungen betrifft.

Dennoch steht dem Bundespartei-obmann der ÖVP die eigentliche Belastungsprobe erst ins Haus: der verbale „Vorrang der Gesamtpartei“ im Parteistatutentwurf ist nicht neu, — den gab es schon bisher —, und doch hat er weitgehend nichts genützt. Man braucht sich keine Illusionen über die Tatsache zu machen, daß sich Schleimer erst in hautnahen Sach- und Personalduellen diesen Vorrang erkämpfen wird müssen.

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