Bindungsangst: Licht auf die Kellergeister

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Einsamkeit ist derzeit in aller Munde. Zu ihrem gesellschaftlichen Umfeld gehören heute Vereinzelung und der Verlust der „psychosozialen Integration“ – des Gefühls, in einem Netz von familiären und zwischenmenschlichen Beziehungen geborgen zu sein. Aber in diesem sozialen Umfeld finden sich auch traurige Phänomene, die weitgehend verborgen sind. Über sie wird daher viel weniger gesprochen als über die offensichtlich tristen Blüten der Einsamkeit: „Bindungsängste spielen gern Versteck“, schreibt Psychologin Stefanie Stahl in ihrem Sachbuch „Jein!“ (Kailash, 2020). Der Titel bringt die typische Situation von Bindungsphobikern auf den Punkt: Sie sehnen sich nach Nähe und landen zwar häufig in Liebesbeziehungen, können aber dem Versprechen der Verbindlichkeit nicht genügen – aus Angst. Ihre Beziehungen brechen daher früher oder später auseinander. Ohne es zu wollen, bringen sie viel Herzschmerz in die Welt. Leider wird diese Angst von den Betroffenen meist nicht bewusst reflektiert. Das bedeutet, sie wird zur Ursache für „Kellergeister“, die im Unbewussten ihr Unwesen treiben. Die Erscheinungsformen von Bindungsängsten sind so gut getarnt, dass sie oft nur in verkleideter Form sichtbar werden: zum Beispiel als Arbeitssucht, psychosomatische Beschwerden, übertriebene Hobbys, häufige Untreue, sexuelle Zurückhaltung, Gesprächsverweigerung, Hang zu Fernbeziehungen, Abtauchen oder das Unterlassen romantischer Gesten. All das schafft Distanz. Wer aber würde auf die Idee kommen, dass sich all diese „Symptome“ auf die gleiche Störung zurückführen lassen? Vielen bindungsängstlichen Menschen wird erst in einer Therapie bewusst, wie tief und stark ihre Beziehungsangst ihr ganzes Leben prägt.

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