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Kirchen-„Steuer"

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„Damals kamen die Pharisäer zusammen und beschlossen, Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen. Sie veranlaß- ten ihre Jünger, zusammen mit den Anhängern des Her odes zu ihm zu gehen und zu sagen: Meister, wir wissen, daß du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen; denn du siehst nicht auf die Person. Sag uns also: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, der Kirche „Steuern“ zu zahlen, oder nicht?

Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle? Zeigt mir den Schein, warum ihr eure „Steuern“ bezahlen müßt. Da hielten sie ihm einen Taufschein hin. Erfragte sie: Wessen Name und Anschrift ist das? Sie antworteten: der Kirchel Darauf sagte er zu ihnen: So gebt der Kirche, was der Kirche gehört, und Gott, was Gott gehörtl Als sie das hörten, waren sie sehr überrascht, wandten sich um und gingen weg. “

Diese eher unbekannte Textvariante zur „Zinsgroschengeschichte“ erweist sich bis heute als hilfreich für Kirchenbeitragsgespräche, verrät sie doch gleichsam die genuine Struktur solcher disputationes hor- ribües. Fragen nach dem Warum und Woher des Kirchenbeitrags scheinen demnach eher selten reine Informations fragen zu sein, ihre Grundabsicht ist vielmehr, der jeweils befragten Autorität eine Falle zu stellen. Eine Falle, die noch dazu so geschickt aufgestellt ist, daß - so hoffen jedenfalls die Pharisäer aller Zeiten - Jesus auf jeden Fall in sie hineintappen muß.

Denn wird er sagen, man solle der Kirche „Steuern“ zahlen, dann werden die Pharisäer behaupten: Da seht ihr ja, was seine prophetische Predigt wert ist. Wenn es darauf ankommt, so hält er ja doch zur etablierten Kirche. Sollte Jesus aber dazu auffordern, der Kirche die „Steuern“ zuverweigem, dann wird er Schwierigkeiten mit den Kirchenbehörden bekommen.

Folgerichtig also nennt Jesus die Anfragenden Heuchler: Auf den Taufschein legen sie Wert, aber auf das „Steuerzahlen“ meinen sie verzichten zu können.

Anno 1989ist die Heuchelei - wenn man von einigen gläubigen Idealisten absieht-perfekt geworden. Denn so manche Österreicher geben der Kirche oder Gott gleich viel, nämlich ein Trinkgeld oder gar nichts. Aber es klingt natürlich fesch und geistlich, wenn sich Zahlungsunwillige - übrigens nach der Höhe der bezahlten Kirchenbeiträge müßten die meisten Österreicher am Hungertuch nagen - auf den Sohn Gottes berufen.

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