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Die bösen Reichen?

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Die Diskussion um Hannes Androsch führt zu grundsätzlichen Fragen, unter anderem auch zu der, ob jemand, der reich ist und einen aufwendigen Lebensstil hat, überhaupt eine glaubwürdige sozialistische Politik vertreten kann. Vertritt doch der Sozialismus eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Güter und sieht der Marxismus im Privateigentum eine Wurzel von ungerechten Besitz- und Machtverhältnissen. Kann also ein Reicher ein guter Sozialist sein?

Ich fühle mich für diese Frage nicht zuständig. Sie berührt aber eine Frage, an der auch alle christlich orientierten Politiker interessiert sein sollten, nämlich: Kann jemand, der reich ist und einen aufwendigen Lebensstil hat, Politik im christlichen Sinn vertreten? Kann ein Reicher ein guter Christ sein?

Die Kirche hat gerade im vergangenen Jahrhundert gegenüber dem Marxismus das Privateigentum als ein grundlegendes Recht des Menschen verteidigt. Aber zu Reichtum und aufwendigem Lebensstil gibt es im Neuen Testament harte Anfragen, die sowohl das Entsetzen wie auch das Gelächter der Zuhörer Jesu hervorriefen.

„Da sagte Jesus zu seinen Jüngern: Amen, das sage ich euch: Ein Reicher wird nur schwer in das Himmelreich kommen. Nochmals sage ich euch: Eher geht ein Kamel durch das Nadelöhr als ein Reicher in das Reich Gottes gelangt Als die Jünger dies hörten, erschraken sie sehr und sagten: Wer kann dann noch gerettet werden?" (Mt 19,23-25). Ebenso harte Worte finden wir bei Lukas. „Weh euch, die ihr jetzt reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten" (Lk 6,24).

Lukas erzählt auch das Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus und berichtet von der Reaktion der Pharisäer. „Das

alles hörten auch die Pharisäer, die sehr am Geld hingen, und sie lachten über ihn. Da sagte er zu ihnen: Ihr redet den Leuten ein, daß ihr gerecht seid; aber Gott kennt euer Herz. Denn was die Menschen für großartig halten, das ist in den Augen Gottes ein Greuel" (Lk 16, 14f).

Es gibt vor allem zwei Gründe, die Jesus veranlassen, den Reichtum so radikal in Frage zu stellen. Das Streben nach Reichtum kann den Menschen so ergreifen, daß der Besitz zum Götzen wird: „Kein Sklave kann zwei Herren dienen ... Ihr könnt nicht beiden

dienen: Gott und dem Mammon" (Lk 16,14). Der zweite Grund wird deutlich im Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus: Reichtum macht blind gegenüber sozialer Not und führt zu Ungerechtigkeit.

Trotz dieser drastischen Aussagen der Bibel kam es in der Geschichte der Kirche nie zu Zwangsenteignungen. Auch in der Urkirche, in der manche ihren Besitz verkauften oder verschenkten, wurde niemand gezwungen, dies zu tun. Es gab auch reiche Christen, die ihren Besitz behielten, aber ihr Haus öffneten, wie etwa die Purpurhändlerin in Lydia (vgl. Apg 16,15ff).

In der weiteren Geschichte gab es immer wieder Armutsbewegungen auf freiwilliger Basis, die jene radikalen Worte Jesu gegen den Reichtum ins Gedächtnis riefen; aber es sammelte sich auch immer wieder Reichtum in den Händen der Christen und der Kirche; selbst in den Händen der Orden, deren Mitglieder persönliche Armut gelobten.

Kann ein Reicher ein guter Christ sein? Oder kann er nur Christ sein mit schlechtem Gewissen7

Es gibt Formen des Reichtums und der Lebensführung, die in keiner Weise mit dem Christsein vereinbar sind. Es ist auch klar, daß der rechtmäßige Erwerb allein nicht das einzige Kriterium ist, um Reichtum zu rechtfertigen. Es gibt eine Gier nach Besitz und Wohlstand, die den Menschen blind macht für andere Werte.

Andererseits gab es und gibt es auch reiche Christen, denen man ihr Christsein kaum absprechen kann; Christen, die keine reichen Prasser sind, die auch nicht blind sind für andere Werte, die für den Lebensunterhalt vieler sorgen, die durch ihren Besitz frei werden für wichtige Tätigkeiten im öffentlichen Leben; die also verantwortlich mit ihrem Besitz umgehen.

Wenn wir all dies bedenken, gibt es nicht die Schablone: hier die bösen Reichen und dort die guten Armen.

Der Wert des Menschen hängt nicht von äußeren Verhältnissen ab. Der Mensch selbst hat in seinem Gewissen zu überprüfen, wie er mit seinem Reichtum umgeht und welcher Lebensstil sich rechtfertigen läßt. Für diese Uberprüfung stellt das Evangelium massive Fragen.

Solche Infragestellung — und zwar nicht nur bei Politikern, sondern allgemein — ist umso dringender, da Worte wie Habgier, Geiz, Neid, die Fehlhaltungen markieren, fast aus dem Sprachschatz des heutigen Menschen verschwunden sind. Es ist nicht anzunehmen, daß es diese Fehlhaltungen nicht mehr gibt. Sie haben nur andere Formen angenommen und sind viel schwerer zu entlarven.

Mit diesen wenigen Gedanken sind jedoch die Fragen der unterschiedlichen Wirtschaftssysteme, der Gegensätze zwischen armen und reichen Völkern und viele Fragen der Sozialethik noch kaum berührt.

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