6837963-1975_26_04.jpg
Digital In Arbeit

Lieber Große als Kleine

19451960198020002020

Ein „Arbeitspapier“ des schwedischen Gewerkschaftsbundes erhitzt zur Zeit das Gemüt der kühlen Nordländer. Daß den darin enthaltenen Vorstellungen jedoch auch für Österreich große Bedeutung zukommt, läßt sich aus der Vermögensbildungsdiskussion in Österreich erkennen.

19451960198020002020

Ein „Arbeitspapier“ des schwedischen Gewerkschaftsbundes erhitzt zur Zeit das Gemüt der kühlen Nordländer. Daß den darin enthaltenen Vorstellungen jedoch auch für Österreich große Bedeutung zukommt, läßt sich aus der Vermögensbildungsdiskussion in Österreich erkennen.

Werbung
Werbung
Werbung

Das Gewerkschaftskonzept ist die logische Konsequenz des heurigen Entwurfs zum Parteiprogramm der schwedischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, in dem es unter anderem heißt: „Die gesamte Wirtschaftstätigkeit, private wie auch kollektive, muß zu einer planmäßigen Wirtschaft unter Kontrolle der Bürger koordiniert werden.“

Wie sich die schwedischen Sozialisten diese Kontrolle vorstelllen, wird

bald klar: nicht die individuelle Vermögensbildung ist gemeint, nicht die persönliche Mitsprache des Arbeitnehmers wird gewünscht, sondern die Zielrichtung geht eindeutig in Richtung einer Machtakkumulation der Gewerkschaft und der Apparate.

Der Vorschlag des Arbeitsmarktexperten des schwedischen Gewerkschaftsbundes, Rudolf Meidner, sieht nämlich vor, daß die großen Unternehmungen pro Jahr rund 15 bis 20 Prozent ihrer Gewinne in Form von Aktienneuemissionen in einen Arbeitnehmerfonds einbringen sollen. Die Mittel werden also dem Unternehmen nicht entzogen, aber der Aktionärsanteil des Fonds steigt ständig, sodaß Fachleute meinen, daß bei Unternehmen mit guter Ertrags-

läge der Fonds schon nach 20 bis 25 Jahren die Aktienmehrheit halten würde. Dieser zentrale Arbeitnehmerfonds soll — durch die Gewerkschaften verwaltet werden. Das bedeutet, daß der einzelne Arbeitnehmer nicht um ein Jota aufgewertet wird und die sozialistische Phrase vom „mündigen Staatsbürger“ zur Farce wird — denn an die Stelle des „Kapitalisten“ tritt die Bevormundung durch die „Fonds“.

Dieses Konzept reiht sich ein in die alte schwedische sozialistische Tradition. Schon der Vorgänger Olof Palmes, Tage Erlander, erklärte einmal einem Genossen, der ein Defizit an marxistischer Lehre beklagte: „Statt dem Huhn den Kopf abzuhacken, wie es die Kommunisten tun, lassen wir es in Ruhe und sehen zu, daß es fleißig legt. Dann nehmen wir die Eier.“

Schon heute ist es den schwedischen Sozialisten weitgehend gelungen, die Eigentümer zu entmachten, ohne sie jedoch formal zu enteignen.

Von den Gewinnen müssen nämlich heute schon

• 55 Prozent Einkommensteuer;

• 4 Prozent Lohnsummensteuer;

• 20 Prozent in den „Arbeitsmilieu-Fonds“ und

• 15 Prozent in den „Besonderen Fond für Konjunkturausgleich“ gezahlt werden.

Die Fondsbeiträge sind nahezu steuerfreie Rücklagen und werden zinsenlos bei der Reichsbank deponiert. Bei der Wiederverwendung dieser Fondsgelder hat jedoch der Staat ein Wörtchen mitzureden.

Durch derartige Maßnahmen werden schwedische Firmen heute in die extreme Verschuldung geführt, was aber durchaus ins Konzept paßt — denn schlechte Firmen können so einfach zugrundegehen und die guten werden fusioniert oder von der staatlichen Holdinggesellschaft

Statsföretag AB aufgekauft.

Schon vor zwei Jahren hatte die sozialistische dänische Regierung ein Konzept mit ähnlichen Vorstellungen vorgelegt, das jedoch in der Zwischenzeit wieder in der Schublade verschwunden ist, weil es vor allem bei den Arbeitnehmern selbst auf massive Kritik gestoßen ist.

Dennoch bleibt für den österreich-schen Beobachter ein gewisses Un-behangen. Es bleibt die unterschwellige Ankündigung der österreichischen Sozialdemokratie bestehen, daß man den „schwedischen Weg“ als großes Vorbild quasi als Transparent vor sich hertragen solle, Tendenzen, die durch die ostentative herzliche Verbundenheit Kreisky — Palme verstärkt werden.

Zum anderen jedoch muß der derzeitige Stand der Vermögensbildungdiskussion in Österreich zu denken geben. Während nämlich die Fraktion christlicher Gewerkschafter im ÖGB klar für den individuellen, unternehmensbezogenen Weg plädiert, der insbesondere auch Würde und Individualität des einzelnen Arbeitnehmers betonen soll, findet sich bei den sozialistischen Gewerkschaftern der Schwerpunkt auf der Fondsidee. Zweifellos nicht so prononciert und ausformuliert wie in dem schwedischen Vorschlag — aber doch.

Und auch das Argument, das man in Schweden immer hört, daß nämlich die Sozialisten Interesse daran hätten, Unternehmen in Fusionen zu treiben, da „sich wenige große Unternehmungen leichter kontrollieren lassen als viele kleine“, hat man in Österreich schon oft gehört.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung