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„Sein oder Nichtsein“

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Als vergangene Woche im Wiener Palais Auersperg die Politische Akademie der ÖVP mit einem wissenschaftlichen Symposium über die „Zukunft der Politik“ eröffnet wurde, konnte man neben bestechenden Theorien der Referenten auch allerlei Absichtserklärungen und persönliche Bekenntnisse hören.

Vor allem der Präsident der neugegründeten Akademie, Alfred Maleta, sprach einige harte Worte ins Gewissen der großen Oppositionspartei: „Wenn die Volkspartei im Chaos der Zeit ein fester Anker bleiben soll, dann kann sie dies nur als eine kraftvolle politische Bewegung, die sich nicht in Fragen des Milchpreises, der dynamischen Rente und der Zollrückvergütung verzettelt.“ Oder: „Sein oder Nichtsein, das ist die Frage! Deshalb sollte man auch nicht den fast grotesken Streit um den Vorrang von Bünden und Partei auf die Spitze treiben. Der Geist läßt sich nicht dritteln.“

Daß Maleta diese Worte in Abwesenheit der Adressaten sprach, daß,anders gesagt, das Gros der Funktionäre, die das mittlere und untere Parteimanagement darstellen, fehlten, wirft ein schiefes Licht auf das geistige Klima innerhalb der ÖVP.Wenn von allen VP-Nationalratsab-geordneten — die Parteispitze, die erfreulich vollzählig bei der Eröffnung anwesend war, sei hier ausgenommen —i nur 5 an der Zahl in das Palais Auersperg fanden, besteht offenbar bei der großen Zahl der Funktionäre kein Bedürfnis, sich mit Leuten von der Harvard Univer-sity zusammenzusetzen. Offenbar glauben die Anbeter einer parteipolitischen Ochsentour, sich von Vorträgen und Diskussionen dispensieren zu können. Aber immerhin drückt diese intellektuelle Enthaltsamkeit mehr aus, als die Reihen leerer Sessel bei der Eröffnungsfeier der Politischen Akademie. Diese Absenz deutet auf eine Kommunikationsunterbrechung zwischen den Angehörigen der unteren und mittleren Funktionärsschicht und den Politik wissenschaftlich betreibenden Outsidern. Problemloser und Analytiker sind suspekt, der im Bündekampf gestählte Bizeps, Gruppenegoismus und geistige Konformität dominieren.

Damit keine Mißverständnisse entstehen: Niemand verlangt von einem durchschnittlichen Parteifunktionär politikwissenschaftliche Betätigung, niemand predigt die Herrschaft der Wissenschaftler, niemand will ein einig Volk von Akademikern. Aber die Bereitschaft zu einem Gespräch, die intellektuelle Auseinandersetzung mit Experten kann man doch von Landtags- und Nationalratsabgeordneten verlangen.

Es wartet also viel Arbeit auf den Geschäftsführenden Vizepräsidenten dieser Akademie, Karl Pisa. Daß gerade Pisa, der seit Jahren Vordenker der ÖVP ist, zum Leiter der Politischen Akademie bestellt wurde, mag zu großem Optimismus berechtigen. Wenn man allerdings die Auseinandersetzungen in der Gründungsphase der Akademie betrachtet, folgt Ernüchterung. Man hörte da von Wünschen der Bünde, von Verstimmungen einzelner Bundesländer, die sich gegen ein zentralisiertes Kursprogramm wandten und von allerlei Gerangel im wissenschaftlichen Beirat, der ohnedies bis heute ineffizient ist

Auszudrücken, man sehe unter diesen Startvoraussetzungen für die Zukunft schwarz, ist mehr als ein nettes Wortspiel. Es ist vielmehr eine realistische Einschätzung der Lage. Vor allem dann, wenn man die Parallelorganisation der SPÖ, das Dr.-Karl-Renner-Institut, betrachtet. Dort entsteht eine echte Parteihochschule, die — geleitet von Prof. Stadler — wissenschaftliche Grundlagenforschung zu betreiben haben wird.

Die Konstruktion des Institutes beachtet als oberstes Prinzip sachliche Gesichtspunkte: In der Liste des wissenschaftlichen Beirates etwa fehlt kein vifer Kopf, der sich innerhalb der SPÖ mit politikwissenschaftlichen Problemen beschäftigt. Kein Proporz der einzelnen Unterorganisationen, vielmehr eine Koalition sachlich Kompetenter. Der ÖVP hingegen ist es faktisch nicht gelungen, junge Leute aus ihrer Outsiderposition zu befreien und sie in die Organisation der Politischen Akademie einzubinden.

Ob da die Worte des Akademiepräsidenten Maleta: „Wir werden mit dieser Akademie beweisen, daß unserer Volkspartei der Nimbus der Intellektualität nicht entrissen wurde“, nicht eher festliche Worte zu einem feierlichen Anlaß waren?

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