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Königgräte lief anders"

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FURCHE: Herr Präsident, die politische Moral liegt im argen. Was sagt ein altgedienter Politiker mit der Autorität eines Wiederbegründers der Republik Osterreich dazu?

MALETA: Ich empfinde tiefes Unbehagen über den Stil der politischen Auseinandersetzungen heute. Natürlich ist Demokratie Diskussion und Austausch von Argumenten, aber bekanntlich macht der Ton die Musik. Erschreckend ist, daß heute dem Gegner oft keine ehrliche Uberzeugung mehr zugebilligt wird, sondern nur noch Handeln aus charakterlicher Minderwertigkeit. Alles wird zu einer persönlichen Verleumdungskampagne gemacht!

FURCHE: Wann und womit hat diese Sittenverwilderung begonnen?

MALETA: Daran hat auch Bundeskanzler Kreisky seinen Anteil. Er ist sicher eine respektgebietende politische Persönlichkeit, der dem kleinen Austria auch in der Welt einen gewissen Rang verschafft hat. Aber er steigt jetzt immer häufiger auf eine Ebene herunter, die seiner nicht würdig ist. Von ihm ging die Initiative aus, daß wir gemeinsam eine wissenschaftliche Kommission zur Erforschung der dreißiger Jahre gründeten, die solide Arbeit leistet. Aber nun fängt immer wieder Kreisky selber in agitatorischer Weise von 1934 zu reden an...

FURCHE: Reden wir von 1982. Die Parteienfinanzierung ist offenbar zu einem zentralen Problem geworden.

MALETA: Ja, aber da muß man schon sagen, daß auch viel Heuchelei in der Öffentlichkeit dabei ist. Man unterscheidet nicht mehr zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem. Es ist z. B. absolut korrekt, daß der Staat in einem gewissen Rahmen den Parteien Voraussetzungen für ihr Wirken verschafft. Ich verstehe nicht, warum führende Parteipolitiker sich genieren, das offen auszusprechen.

FURCHE: Vielleicht deshalb, weil es einmal hieß, die öffentliche Parteienfinanzierung würde Privatspenden entbehrlich machen, und nun stellt sich heraus, daß noch immer auch nicht genug Spenden fließen können...

MALETA: Auch das muß man der Öffentlichkeit einmal ganz klar sagen, daß sie entweder zu noch viel höheren Zuwendungen aus Steuergeldern an Parteien bereit sein müßte oder gegen gesetzlich einwandfreie Spenden nicht protestieren kann. Jeder Verein, jede Feuerwehr geht sammeln — warum soll das bei Parteien unsittlich sein?

FURCHE: Könnten die Parteien nicht mehr sparen, wie es der Bundespräsident empfohlen hat?

MALETA: Sicher ist, daß zu meiner Zeit mit dem Geld äußerst sparsam umgegangen wurde, auch was die Entschädigung von Politikern betrifft. Als Generalsekretär der ÖVP habe ich nicht einen Schilling damals bekommen.

FURCHE: Heute sammeln viele Politiker Aufsichtsratsposten auch noch dazu. Ist das korrekt?

MALETA: Obwohl ich selber nie in den Aufsichtsrat einer öffentlichen Unternehmung hineingegangen bin, finde ich nichts daran, wenn Politiker dörthin entsandt werden. Beamte an ihrer Stelle sind keine bessere Lösung. Von einer bestimmten Zahl von Aufsichtsratsposten an ist freilich keine vernünftige Tätigkeit mehr zu erwarten.

FURCHE: Zurück zur Sauberkeit der Parteienfinanzierung. Wofür ist eigentlich der Finanzreferent einer Partei zuständig? Sammelt er persönlich das Geld ein oder wie?

MALETA: Für das Administrative hat er natürlich Bürokräfte. Aber der Finanzreferent muß sich den Kopf über korrekte Wege der Parteifinanzierung zerbrechen. Er ist gewissermaßen das respektable Aushängeschild und der Garant sauberer Praktiken.

FURCHE: Wer muß gehen, wenn unsaubere Praktiken auffliegen?

MALETA: Das kommt auf den konkreten Fall an. Auf jeden Fall ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in einen Politiker ein wesentliches Moment. Wenn dieses Vertrauen angeschlagen ist, muß ein Politiker von sich aus Konsequenzen ziehen.

FURCHE: Reicht also auch Ihrer Meinung nach die politische Verantwortung über die strafrechtliche Verantwortung hinaus? Muß ein Politiker auch dann den Hut nehmen, wenn er persönlich nichts Unrechtmäßiges getan hat, aber für die Partei eine Belastung geworden ist?

MALETA: Ja, gewiß. Dabei verlangt ja kein Mensch mehr, daß heute so strenge Maßstäbe angewendet werden wie früher einmal. Feldzeugmeister Ludwig von Be-nedeck trat nach der verlorenen Schlacht von Königgrätz zurück, obwohl er persönlich keinerlei Schuld daran trug und wegen der ungenügenden Rüstung der Armee sogar gewarnt hatte. Und ein Unternehmer griff noch in der Zeit Kaiser Franz Josephs zur Pistole, wenn er bankrott machte. Heute gleicht er sich aus, geht am Abend zum Heurigen und brüstet sich vor Freunden, wie clever er das gemacht hat.

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