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Bekenntnis zur Mitte

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ENTSCHEIDUNG FÜR MORGEN. Christliche Demokratie im Herzen Europas. Von Alfred M a 1 e t a. Molden-Verlag. 328 Seiten, Leinen, DM 26.-, sfr. 30.—, S 168.-.

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ENTSCHEIDUNG FÜR MORGEN. Christliche Demokratie im Herzen Europas. Von Alfred M a 1 e t a. Molden-Verlag. 328 Seiten, Leinen, DM 26.-, sfr. 30.—, S 168.-.

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Alfred Maleta als Autor braucht „Furche“-Lesern nicht vorgestellt zu werden. Er ist ja seit Jahren selbst „Furche“-Autor. Sein Buch, das hier vorzustellen ist, hat Maleta „im Gedenken an die großen Österreicher Leopold Figl und Julius Raab“ vorgelegt. Es enthält eine organisch gegliederte Auswahl von Beden und Aufsätzen Maletas aus zwei Jahrzehnten (1949 bis 1967). Die Auswahl umfaßt sieben größere Themenkreise: „Christliches Gesellschaftsbild im Atomzeitalter — am Wendepunkt der Geschichte — Erkenntnisse und Prognosen zur Außenpolitik — vom Gedanken zur Tat — christliche Arbeiterbewegung — das Parlament, Herz der Demokratie — Humanismus, Patriotismus.“

Das Buch bietet keine Sensationen. Es bietet auch keine Novitäten an. Es ist ein Rechenschaftsbericht eines seit dem Wiedererstehen Österreichs in der politischen Führung aktiven Politikers und ein Geschichtsspiegel der Zweiten Republik. Es enthält Erkenntnisse und Bekenntnisse eines Politikers, der hier nicht über die Probleme der Tagespolitik reflektiert, sondern über die Probleme der Zeit. Seine Sprache ist nicht wissenschaftlich-kompliziert, sondern klar und einfach. Auch der kleine Mann wird das Buch und die Anliegen des Autors leicht verstehen.

Die Fülle der Beiträge durchzieht ein roter Faden: das Bekenntnis zur Mitte und zum Maß. Dieses Bekenntnis entspricht der Erkenntnis eines Politikers, der als Parteimann immer auch versucht Staatsmann zu sein, der über trennende Momente nie die verbindenden und verbindlichen, einheitsstiftenden Elemente vergißt. Ein solches Bekenntnis ist notwendig und zeitgerecht gerade in einer Zeit, in der Extremes und Radikales fasziniert und in der man gern sagt, daß die Mitte still sei. Das Schweigen der Mitte wird ja oft als Schwäche, ja als Verlust der Mitte hingestellt und damit allein schon der Weg des Verstehens und der Verständigung in der Politik verstellt. Wohin es führt, wenn die ordnende und orientierende Kraft der Mitte fehlt, wissen wir. Das Miteinanderreden- und Aufeinanderhörenkönnen wird unmöglich; die Demokratie verfällt. Das Buch läßt dieses wesentliche politische Anliegen Maletas deutlich erkennen. Ob es sich um die Auseinandersetzung mit dem weltanschaulichen Gegner handelt oder um die Auseinandersetzung innerhalb der eigenen Partei, ob es um die christliche Demokratie, um Österreich oder Europa geht, Maleta geht es immer um den Weg des rechten Maßes und der rechten Mitte.

Die Auseinandersetzungen in der Politik müssen Auseinandersetzungen des Geistes sein. Die geistige Auseinandersetzung im steten Gespräch mit dem Partner und Gegner unterscheidet ja die Demokratie von der Gewaltherrschaft. In der pluralistischen Demokratie von heute, in der Freiheit und Toleranz als Höchstwerte gelten, weist der christliche Politiker Maleta den Christen die Aufgabe zu, sich zu einer politischen Gesinnungsgemeinschaft zusammenzuschließen und durch ihr naturrechtliches Leitbild an der Lösung der Probleme der Gegenwart mitzuwirken, und zwar auch dann, wenn sie kein Monopol der Kirche in Anspruch nehmen können. Was kennzeichnet aber die christliche Demokratie? Die christliche Demokratie erkennt das Heil nicht in den Institutionen über dem Individuum; die Institutionen müssen vielmehr immer im Dienste der Individuen verstanden werden. Das Individuum steht über der Institution. Das stellt Maleta eindringlich heraus. Er warnt vor dem „Irrlicht der Geborgenheit im Kollektiv“, das den einzelnen in die Unfreiheit führt.

Maleta ist Realist und Realpolitiker; er gibt sich keinen Illusionen hin, auch nicht solchen über seine eigene Partei. Er sagt auch der eigenen Partei offen seine Meinung, wenn er Gefahren sieht, und ist ihr Mahner und auch Lehrer geworden. Maleta hat Autorität.

Als Parlamentspräsident ist er auch ein Träger der offiziellen Autorität unseres Gemeinwesens geworden. Er übt diese Autorität österreichbewußt aus, man möchte fast sagen, als gelernter Österreicher. Maleta weiß um die österreichischen Konstanten in Kultur und Politik. Das neue Österreich hat historischen Boden. Wir bestehen von einem großen Reiche fort. Aus unserer Tradition hat unsere Kultur Substanz und Kontinuität. Das ist Herausforderung und Verpflichtung. Österreich als geistige Realität den politischen Kräften bewußt werden zu lassen und die Substanz des alten Österreich dem neuen als Verpflichtung zu tradieren, ist eine staatspolitische Aufgabe. Maleta hat die Krise der Ersten Republik als Krise des Gemeinschaftsbewußtseins erkannt, ohne das auf die Dauer kein Gemeinwesen denkbar ist. Er achtet darauf, daß die politischen Leitbilder der Partei überdachende gemeinsam anerkannte Wertordnung bewußt bleibt und wurde so Wächter und Wahrer des nationalen Konsenses. So ist auch der Satz zu verstehen, mit dem die „Entscheidung für morgen“ schließt: „Humanismus, Patriotismus und Demokratie sollen also auch in Zukunft die Grundlagen des Zusammenlebens in der Republik Österreich sein!“

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