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Ein Gesellschaftsmodell auf dem Boden des Naturrechts

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Die Politische Akademie der 0 VP beging in der Vorwoche ihren offiziellen Start mit der Einweihung ihres Hauses und einem Symposion zum Thema „Das Menschenbild als Maßstab aller Politik“. Der Präsident der Akademie und ehemalige Erste Nationalratspräsident Dr. Alfred Maleta, ging in seinem Referat und in der Begrüßungsansprache mehrfach auf die laufende Grundsatzdiskussion ein.

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Die Politische Akademie der 0 VP beging in der Vorwoche ihren offiziellen Start mit der Einweihung ihres Hauses und einem Symposion zum Thema „Das Menschenbild als Maßstab aller Politik“. Der Präsident der Akademie und ehemalige Erste Nationalratspräsident Dr. Alfred Maleta, ging in seinem Referat und in der Begrüßungsansprache mehrfach auf die laufende Grundsatzdiskussion ein.

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In seinem Grundsatzreferat „Das Menschenbild in der politischen Wirklichkeit“ unterschied Präsident Maleta zunächst zwischen dem Grundsatzprogramm der Partei, das den Funktionären „das weithin sichtbare Feldzeichen“ sein müsse, „mit dem die Regimenter in den Kampf ziehen“. Bei der Grundsatzdiskussion dagegen gehe es darum zu fragen, „was wir nach unserer Überzeugung für die Wahrheit halten“, zu prüfen und zu beweisen, „aus welchen Gründen wir unsere Wertvorstellungen für gültig halten“. Das Aktionsprogramm schließlich habe nicht die Richtigkeit der Grundsätze zu untersuchen, sondern müsse über ihre Anwendung in der tages- und parteipolitischen Auseinandersetzung aussagen.

Wie begründen wir in einer säkularisierten Zeit, die Gott entfremdet ist, die Glaubwürdigkeit unseres Menschenbildes? fragte Präsident Maleta weiter. Unser Menschenbild bietet nicht jene brisanten, neuen Ideen, wie jene von Mohammed oder Lenin, die einst Weltbrände erzeugten. Unsere verstandesmäßige, logische Begründung des Naturrechtes nach Thomas von Aquin ist „in einer verrückt gewordenen Zeit irrsinniger Narren und Fanatiker“ zu wenig. „Wir müssen auf dem Orchester der Emotionen ein Furioso spielen, denn die demokratische Gesellschaft wird möglicherweise bald Männer brauchen, die bereit sind, für die Freiheit ihr Leben einzusetzen.“

Wertmaßstab „Mensch“

Die Entthronung Gottes als Maßstab für die richtige Ordnung der Gesellschaft zwinge zur Suche nach einem Ersatzmaßstab. Der Mensch als solcher sei jedoch mit der ganzen Problematik seiner menschlichen Natur behaftet. Der Mensch sei kein absoluter, sondern bestenfalls ein relativer Wertmaßstab. Als solcher komme er zwangsläufig in Konflikt mit dem Freiheitsprinzip, einem Höchstwert unseres Wertsystems. Denn die freidenkenden Individien gelangen nicht zu den gleichen Denke’rgebnissen Über die richtige und dazu anzustrebende Gesellschaftsordnung, sondern zu widersprüchlichen Aussagen.

Jede Gemeinschaft von Lebewesen bedarf eines Mindestmaßes gemeinschaftsbezogener Verhaltensweisen für ihre Existenz. Im menschlichen Bereich sind durch die Freiheit des Denkens die letzten Reste unverzichtbarer gemeinschaftsbezogener Verhaltensweisen gefährdet. Das zeige die Entwicklung in den letzten vier Jahrhunderten. Darin liege die große Gefahr für die gemeinsame geistige Substanz der demokratisch-pluralistischen Gesellschaft und ihres Versin- kens in Chaos und Anarchie. Denn da ein solcher Zustand auf die Dauer undenkbar ist, so erwächst daraus die drohende Gefahr eines neuen Totalitarismus, der mit Gewalt die für jede gesellschaftliche Existenz notwendigen Fixelemente festlegt. „Der Kampf um ein personalistisches Menschenbild ist daher nicht nur eine Programmnotwendigkeit unserer Partei, sondern eine Existenznotwendigkeit der ge samten demokratisch-pluralistischen Gesellschaft.“

Wenn die menschliche Natur bis in ihre innerste geistige Substanz, also in ihrem Denken und Verhalten, vom Milieu geprägt wird, dann ist ihr sowieso fragwürdiger Wert als Wertmaßstab restlos in Frage gestellt. Auch wenn zweifellos das Milieu seinen starken Einfluß ausübt - die Entscheidungen des Menschen werden in ihrem eigentlichen Kern von unabänderlichen Eigenschaften der menschlichen Natur beeinflußt und geprägt, seiner Individualität, seinem Freiheitsdrang, seiner Sehnsucht nach gesicherter Existenz und Glück.

Mit der Behauptung von der „Manipulierbarkeit“ der menschlichen Natur soll jedoch das Bewußtsein verändert werden. Wenn aber der Mensch tatsächlich in seinem Bewußtsein „manipulierbar“ wäre - wer hat dann im Staat die Macht zur Manipulation? Totalitäre Machthaber werden es kaum einem Gremium von Wissenschaftlern überlassen, zu bestimmen, was gut, was böse, was richtig und falsch ist? Vor allem, wie die Menschen sich gesellschaftspolitisch zu entscheiden haben. Ein politischer Befehl würde die Richtlinien bestimmen,

in welchem Sinn künftige Retortenmenschen zu manipulieren seien. Für unser personalistisches Menschenbild ist daher der Nachweis der Unveränderlichkeit der innersten Substanz der menschlichen Natur eine unabdingbare Selbstverständlichkeit.

Wenn man sagt, das Naturröcht sei abstrakt, es kenne nur allgemeine Prinzipien, aus denen keine prakti schen Vorschläge für ein praktikables Gesellschaftsmodell abgeleitet werden können, dann brauchen wir ein elastisches System, das unseren gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen entspricht, aber in den sich wandelnden Situationen anpassungsfähig bleibt. Ein Gesellschaftsmodell muß fallweise überprüft werden, ob seine Vorschläge den Freiheitsraum ersticken oder Luft zum Atmen offen lassen. Wir müssen unsere gesellschaftspolitischen Prinzipien als eine „Funktion“ verstehen, die den Sehnen und Gelenken des menschlichen Körpers vergleichbar ist.

Das Humanismusdenken unserer Zeit kommt langsam in einen tödlichen Konflikt mit ewigen Naturgesetzen, denen nicht nur das Individuum,

sondern jegliche Gemeinschaft auf Sein oder Nichtsein unterworfen ist. So wurde etwa bisher der Problemkreis von Terror, Gewalt, Rechtsbrecher und Opfer nur aus einer widersprüchlichen Humanismus-Interpretation im Pro und Kontra ausgeleuchtet „Die weisesten Humanisten könnten im Dschungel von Tigern und Giftschlangen getötet werden, wenn sie nur weise und müde diskutieren.“ Alle demokratischen Parteien befinden sich in einem programmatischen Umformungsprozeß. Es wird sich zeigen, daß keine Partei auf eine Konfrontation mit dem Naturrecht verzichten kann. Ohne Konzession an dieses zerbricht die Plattform der pluralistischen Gesellschaft zu der wir uns alle bekennen. Dieses Naturrecht ist dem Menschen eingeboren. Wie anders könnte man sonst die Existenz der Dissidenten im Osten erklären? Deshalb gilt es, die geistige Auseinandersetzung unserer Zeit nicht nur mit Argumenten des Verstandes zu führen, sondern aus dem tiefen, emotionalen Wissen, daß unser Menschenbild der menschlichen Natur entspricht, schloß Präsident Maleta.

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