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Nur die Kirche fragt nach dem Gewissen

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Bei der Begrüßung der Ehrengäste am Montag warnte Präsident Maleta vor den Gewitterzonen, die sich am Horizont der freien westlichen Gesellschaft zeigen. Was wird, wenn die bisherige Anziehungskraft der freien Welt gegenüber den östlichen Zwangsherrschaften durch Wirtschaftskrisen, Inflation und Arbeitslosigkeit verblaßt und soziale Spannungen den vielbeneideten materiellen Vorsprung wettmachen? Wenn von rechts aus Angst vor einer links radikalen Entwicklung der Ruf nach einer starken Hand erschallt, uns in einen neuen Faschismus führen könnte? Oder wenn der regierende Sozialismus unter dem Druck von ganz links eine Flucht nach vorne anträte? In Ita lien etwa ist nicht nur die sozialistische, sondern schon die kommunistische Partei mit einer radikalen Linksrevolte konfrontiert.

An Kardinal König gewandt, unterstrich Dr. Maleta die Verbundenheit der ÖVP mit Jener großen, geistigen Macht, die unsere Geschichte so weitgehend geprägt hat“. Die Bedeutung des Einflusses der christlichen Kirchen auf die Gewissen vieler Menschen in unserer völlig enthemmten Zeit sei ihrer genau bewußt. Keine politische Bewegung könne dem Einzelmenschen die Gewissensfrage stellen: bist du gut oder böse, altruistisch oder egoistisch, friedfertig oder gewalttätig, barmherzig oder ohne Gnade?

„Alle politischen Bewegungen suchen zwangsbezogen das Glück des Menschen ausschließlich im polaren Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft, mit mehr individueller oder mehr institutionell-kollektiver Schwerpunktbildung. Aber selbst die logisch-raffiniertest ausgeklügelte Gesellschaftsordnung kann nicht bestehen, wenn die sie bildenden Menschen charakterlich defekt sind. So leisten die Kirchen der Gesellschaft einen unschätzbaren Dienst.“

Hier und nicht in den Erinnerungen an frühere Weggemeinschaften befinden sich die geistigen Kontaktstellen zwischen den Kirchen und einer Partei, die aus ihrer christlichen Tradition im politischen Raum Vertreterin einer freien, menschenwürdigen Gesellschaft ist „Wir haben dem parteipolitischen Rechtskatholizismus abgeschworen, doch muß man verstehen, wenn wir sorgsam darauf achten, daß er .njcht auf Schleichpfaden durch ei- . nen parteipolitischen Linkskatholizismus ersetzt wird.“ Am Sterbebett interessiere den Menschen nicht, ob Jesus Sozialrevolutionär gewesen sei oder nicht, sondern nur die Frage: „Bist du Jesus, der Christos - ja oder nein?“

Nicht nur die Kirchen seien an der Schwelle einer neuen Zeit angelangt, auch die christliche Demokratie stehe am Grenzübergang zu einem neuen Sinninhalt „Wir haben in einer säkularisierten Welt für unser gemeinsames naturrechtliches Menschenbüd gottentfremdete Massen anzusprechen, die wir nur gewinnen können, wenn wir die Spätaufklärung in ihrer Krise mit ihren eigenen intellektuellen Waffen überwinden,

Die ÖVP als soziale Integrationspartei müsse nicht nur soziale Schichten integrieren, sondern alle geistigen Kräfte, welcher traditionellen Herkunft immer, in eine gemeinsame moderne Programmatik einbinden. Hier hätten die Christen eine zwar neue, aber unverzichtbare Aufgabe, gerade im Interesse der Kirchen, zu erfüllen.

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