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Kein Fall für die Scherben

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Soll Friedrich Peter Regierungsmitglied oder Dritter Präsident des Nationalrats werden können? Die Fronten gehen quer durchs Volk - auch durch die FURCHE-Redaktion.

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Soll Friedrich Peter Regierungsmitglied oder Dritter Präsident des Nationalrats werden können? Die Fronten gehen quer durchs Volk - auch durch die FURCHE-Redaktion.

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Diesen Beitrag zu schreiben, bereitet mir Unbehagen - schon deshalb, weil er zwangsläufig in der Ich-Form abgefaßt sein muß und Ich-Journalismus, auch wenn immer häufiger anzutreffen, meines Erachtens kein guter Journalismus ist. So subjektiv ein Journalist auch immer schreiben wird — mehr als Privatmeinung müßte es allemal noch sein.

Unbehagen bereitet mir der Kommentar aber vor allem deshalb, weil ich gleichfalls der Auffassung bin, ein einstiger Angehöriger einer SS-Mordbrigade sollte wohl kein Führungsamt in der de-

mokratischen Republik Österreich bekleiden. Das ist nicht eine Frage des Hasses.

Dennoch versuche ich zu begründen, warum ich einen von namhaften Personen Unterzeichneten Appell an Bundespräsident und Parlament, Friedrich Peter in kein Staatsamt zu wählen oder zu bestellen, trotz Einladung nicht unterschrieb.

Mit keinem anderen derzeit aktiven Politiker Österreichs habe ich länger als mit Friedrich Peter beruflichen Kontakt gehabt — seit den späten fünfziger Jahren. Ohne lange in alten Notizheften zu blättern, fallen mir sofort drei Inhalte früherer Gespräche ein:

• Erstens, daß er vor vielen Jahren einmal gesagt hat: Wenn eine Partei unter fünf Prozent Wählerstimmen fällt, sollte sie sich besser selbst auflösen. Der FPÖ ist das zum ersten Mal am 24. April 1983 mit 4,98 Prozent widerfahren.

• Zum zweiten wußte er bei nahezu jedem Gespräch zu begründen, warum die FPÖ ausgerechnet mit dem gerade amtierenden ÖVP-Bundesparteiobmann nicht reden oder gar etwas ausmachen könne, weil dieser — „zum Unterschied etwa von Leuten wie … “ — die Atmosphäre total vergiftet habe!

Man kann alle Namen einsetzen — in beiden Fällen. Denn die „Leute wie … “ wurden der Reihe nach alle selbst Parteiobmänner der Volkspartei und waren von diesem Augenblick an in der Böse- wichterrolle ihrer jeweiligen Vorgänger, während neue „Leute wie… “ die Sehnsucht Peters weckten.

Kein Zweifel: Friedrich Peter war immer hinter einer rotblauen Koalition (und schwarzen Vorwänden dafür) her. Dies erwähne ich, um dem Eindruck zu wehren, Peter verfüge über unwiderstehlichen politischen Charme, der kritisches Urteil verdränge.

• Ein drittes Thema, das sich durch viele unserer Gespräche zog, kreiste um die Chiffren „national” und „liberal”. Gröber gesagt: um die Nazivergangenheit freiheitlicher Parteigänger.

Peter stritt diese niemals ab. Auch nicht (in allgemeiner Form) die eigene. Aber immer hat er da bei beteuert, wie wichtig es wäre, die FPÖ vor der Rolle einer Selbstbefriedigungspartei der Ehemaligen zu bewahren.

Er sprach von den Verhören, denen der amerikanische Geheimdienst CIC ihn unterzog, und von seinen Erinnerungen an das Ex-Nazigrößen-Internierungsla- ger Glasenbach. Und daß er, als Verhörbeamte Zigaretten auf seiner bloßen Haut ausdrückten, sich geschworen habe, den Teufelskreis von Rache und Vergeltung zu unterbrechen. Und daß es darauf ankomme, neu anzufangen, auf Zukunft und nicht auf Vergangenheit zu setzen, auf demokratische Zukunft, ohne Wenn und Aber.

Friedrich Peter hat das (zurh Unterschied von seinen ÖVP-Je- remiaden) nicht nur seinem journalistischen Gegenüber, sondern in bierdunstgeschwängerten oberösterreichischen Versammlungssälen auch seinen Parteileu ten gesagt - die hart an solcher Predigt schluckten.

Ich glaube, daß Friedrich Peter es ehrlich meinte. Ich glaube, daß er persönlich einen großen Wandel durchgemacht hat. Ich glaube, daß er in 20jähriger Obmannschaft nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, diesen Wandel auch in der FPÖ zu fördern.

Was auch mir fehlt, ist ein klares, öffentliches, selbstkritisches Wort des Friedrich Peter zu seiner eigenen, ganz persönlichen Vergangenheit. Ich glaube dennoch, daß man einem Menschen wie ihm ein Selbsteinschätzungsrecht zubilligen muß, statt ihn einem altgriechischen Scherbengericht zu unterwerfen.

Ich wünschte, Friedrich t’eter machte von diesem Recht in einer Weise Gebrauch, die Österreich jede Peinlichkeit erspart und ihm selbst als krönender Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung angerechnet werden kann.

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