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Die neuen Herren der Welt

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Die Globalisierung kippt die bisherige Welt in eine völlig unbekannte und sicher riskante Zukunft. Das ist der gemeinsame Nenner der sechs oben erwähnten, besonders aufschlußreichen Bücher zum Thema.

Globalisierung ist ein schillernder und recht ungenauer Begriff: Kr bezeichnet Mobilitäten, Grenzüberschreitungen, Abhängigkeiten, Vernetzungen, Integrationsprozesse, Beschleunigungen und neue Strukturen im raum-zeitlichen Gefüge. Es fehlt ihm an Anschaulichkeit, seine De-struktivität voll- i zieht sich lautlos und unerbittlich wie das Gesetz der Schwerkraft.

Vordergründig sind die Hauptver-antwortlichen der Globalisierung aber durchaus benennbar: Sie wird durch einen höchst dynamischen Kern der Weltökonomie vorangetrieben, der vor allem aus transnationalen Unternehmen besteht. Ihre Zahl ist seit den sechziger Jahren von 7.000 auf zirka 40.000 gestiegen. Diese beherrschen mehr als 170.000 Tochtergesellschaften. Das Volumen ihrer Gesamtverkäufe liegt inzwischen bei 5,2 Billionen Dollar, die kombinierten Kinkünfte der 500 größten Multis betragen zehn Billionen Dollar, ihr Vermögen 30 Billionen Dollar, die Zahl der Beschäftigten liegt bei 35 Millionen. Im Zentrum der Globalökonomie sitzen, einer Spinne gleich, die Bank- und Finanzkonzerne. Im Geldhandel werden täglich 650 Milliarden Dollar umgesetzt, der 40fache Wert des realen Handels.

Trotz dieser eindrucksvollen Zahlen ist der global engagierte Sektor nur ein kleiner Teil der Weltwirtschaft und Weltgesellschaft. Es gelingt ihm aber, alle anderen Bereiche zu kolonialisieren: Die alte, nicht transnationale Ökonomie, Arbeit, Politik, Kultur, Denkweisen, aber auch Basisinstitutionen des präglobalen Kapitalismus wie die Familie. Seine ehorme Potenz rührt daher, daß die i globalen Spieler die strategisch zentralen Positionen besetzt haben. Sie verfügen über so hochkarätige

Ressourcen, so exzellente Machtzugänge und so raffinierte Waffen zur Herstellung von Hegemonie, daß es ihnen gelingt, der ganzen Welt eine auf sie perfekt zugeschnittene Entwicklungsdynamik aufzuzwingen.

Die unschlagbaren Werkzeuge die-' ser hegemonialen Struktur sind Information und Wissen, die besten Köpfe, Einfluß auf die Regierungen und so subtile Manipulationsinstrumente wie die von den transnationalen Medienkonzernen weltweit versprühten Rewußtseinsinhalte.

Aufgrund der überlegenen Raffiniertheit und hochentwickelten Intelligenz dieses Instrumentebündels sind die neuen Herren der AVeit nicht darauf angewiesen, mit Hilfe manifester Gewalt zu agieren. Ihnen genügt die subtile Macht der Sachzwänge, der Schaffung von Abhängigkeiten, der Erzeugung von Apathie und Ausweglosigkeit.

Zur hoch entwickelten strategischen Überlegenheit der Kerne der globalen Ökonomie gehören auch Fähigkeiten wie: die Wirklichkeiten zu definieren, Eliten zu korrumpieren und Drogen zur Ruhigstellung von Widerstahdspotentialen in gefälliger Weise bereitzustellen.

Globalisierung durchdringt die planetare Realität und Entwicklung in totalerWeise. Es gibt keine Nischen und keine Entkoppelung (Narr-Schubert). Es handelt sich um einen erzwungenen Vorgang, dem sich die Staaten nicht entziehen können (Martin-Schumann). Renato Ruggie-ro, Chef derWelthandelsorganisation, meint, die Globalisierung zu unterbrechen gleiche dem Versuch, die Rotation der Erde zu stoppen.

Daß der Globalisierungsprozeß nicht mehr umkehrbar ist, ergibt sich auch aus der Tektonik des neuen Kapitalismus (Lester Thurow): Wissen und Information sind zum wichtigsten Faktor der Ökonomie geworden, ein Rohstoff, der ortsunabhängig, billig transportierbär und jederzeit verfügbar ist. Das Globalisierungstempo wird durch die sinkenden Kosten des Transports von Waren, Dienstleistungen und Informationen geölt. Es zu verlangsamen oder unter Kontrolle zu bringen, bedürfte eines politischen Konsenses der Staaten. Gerade sie sind es aber, die sich mit aller Macht in den Standortwettlauf stürzen, der die Globalisierung anheizt. Die Staaten agieren dabei wie Marktteilnehmer und werden damit selbst zu einem willenlosen Teil der Globalisierungsautomatik.

Im Mittelpunkt der Globalisierungsdebatte stehen neben der sozialpolitischen Zerstörungskraft die Wirkungen auf Staat und Demokratie (siehe dazu Seite 14 und 15).

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