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Inönii und der klare Himmel

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Zwei Anlässe haben in den letzten Wochen das Interesse der Weltöffentlichkeit für einen Augenblick auf die Türkei gelenkt: der 40. Jahrestag der Ausrufung der türkischen Republik am 29. Oktober und der 25. Todestag Atatürks am 10. November. Der ursächliche Zusammenhang zwischen den jedem modernen Türken „heiligen“ Begriffen „Atatürk“ und „Republik“ läßt diese im Bewußtsein des 30-Millio- nen-Volkes unbekümmert zu einer Einheit verschmelzen: der eine ist ohne den anderen nicht denkbar!

Die mit großem Gepränge abgehaltenen Republik- und Atatürk- Gedenkfeiern übertönten jedoch nur für kurze Zeit das Unbehagen in der Innenpolitik. Der seit Wochen dauernde Streit zwischen den verschiedenen Parteien angehörenden Ministern Bekata und Azizoglu fand wohl durch die freiwillige Demission des letzteren am 26. Oktober auf personeller Ebene ein Ende, pflanzte sich jedoch als roter Faden durch den Wahlkampf anläßlich der Kommun alwahlen am 17. November 1963 fort.

Gemeindewahlen — Testwahlen

An diesem Tag waren in allen Gemeinden der Türkei die Bürgermeister, Gemeinderäte und „Muhtars“ (eine Art Gemeindesekretär, der aber kein Beamter ist) zu wählen. Obwohl also rein kommunalpolitische Entscheidungen zu treffen waren, wurde dieser Urnengang von vornherein als Testwahl für eventuell vorzeitig stattflndende Wahlen zur Nationalversammlung die an sich erst 1965 fällig wären, angesehen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, daß die Koalition der „Republikanischen Volkspartei“ mit zwei kleinen Parteien nicht gerade erfolgreich ist. Die tiefgreifenden Divergenzen innerhalb der Koalitionspartner machen eine gedeihliche Zusammenarbeit größtenteils unmöglich, so daß schon geringfügige Anlässe genügen, um die Gefahr eines Bruches der Koalition heraufzubeschwören. Wenn ein solcher bisher verhindert werden konnte, so ist dies vor allem das Verdienst Ministerpräsident Inönüs.

Der Tenor der Wahlreden war so gehalten, daß es nach Bekanntwerden der Wahlresultate nur zwei Möglichkeiten geben würde: entweder baldige allgemeine Neuwahlen oder Umgestaltung der bisherigen

Koalition. Die „Partei der Neuen Türkei“ ließ von kompetenter Stelle des öfteren verlauten, daß sie im Falle eines Wahlsieges der „Gerechtigkeitspartei“ oder eines großen Rückganges der eigenen Stimmen aus der Koalition ausscheiden wolle, um so der stärksten Partei des Lan des Platz zu machen. Ins gleiche Horn, wenngleich weniger hörbar, stieß auch die Führung der „Nationalen Bauernpartei“. Die „Partei der Neuen Türkei“ sah ihr einziges Ziel darin, sich als dritte Kraft zu etablieren, um das Gleichgewicht zwischen den beiden Großparteien zu wahren, da nach ihrer Meinung „die Nation ansonsten in eine bürgerkriegsähnliche Stimmung, wie vor dem 27. Mai 1960, zurüokfallen würde“.

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