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Jung, sehr jung gefreit...

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„Wir wollen heiraten“, sagen die zwei jungen Leute. Häufig meinen sie: wir müssen. Und dann sind sie höchlichst erstaunt, wenn sie erfahren, daß das gar nicht so einfach ist und im Handumdrehen geht; daß beispielsweise der Bräutigam erst einmal vom Vormundschaftsgericht für volljährig erklärt werden muß und außerdern eine gerichtliche Nachsicht vom Erfordernis der Ehemündigkeit benötigt. Oder die mangelnde Zustimmung der Mutter der Braut müßte erst durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Bevor jedoch das Gericht eine Entscheidung über derartige Anträge fällen kann, ist ein — wenn auch regelmäßig kurzes — Verfahren durchzuführen. Erst bei Erfüllung dieser Erfordernisse und der Vorlage der entsprechenden Personaldokumente, die teilweise auch erst besorgt werden müssen, kann der Standesbeamte das Aufgebot erlassen und darnach die Eheschließung vornehmen.

Da hört man immer wieder, teils oder — „Woher soll man das alles wissen?“ Es sei daher an dieser Stelle einmal der Fragenkomplex der Heiratsfähigkeit von minderjährigen Burschen und (Mädeln, erörtert.

Wann wird das Mädchen „ehemündig“?

Ein Mädel erlangt die Ehemündigkeit mit Vollendung des 16. Lebensjahres. Ab diesem Zeitpunkt kann es heiraten, wenn der gesetzliche Vertreter — nämlich der eheliche Vater oder der Vormund — und der Sorge-berechtigte — in der Regel die eheliche Mutter — der Eheschließung zustimmen.

Wenn nun der Vater (Vormund) oder die Mutter die Einwilligung zur Eheschließung nicht geben, so kann sich das Mädel an das Vormundschaftsgericht wenden und begehren, daß dieses die mangelnde Einwilligung ersetzt. Das Vormundschaftsgericht wird die Beteiligten, nämlich das Mädel, den Bräutigam und die Eltern des Mädels, vorladen, um den Sachverhalt zu erörtern und eine Übereinstimmung zu erzielen. Kommt es zu keiner Einigung, dann untersucht das Gericht jene Gründe, auf die sich die Weigerung der Zustimmung zur Heirat stützt. Ergeben sich keine triftigen Gründe, dann wird die mangelnde Einwilligung zur Eheschließung durch Beschluß ersetzt. Solche triftige Gründe können nach einer oberstgerichtlichen Entscheidung nur aus dem Verhältnis der künftigen Ehegatten, nicht aber aus dem Verhalten des Bräutigams gegenüber dem Vater der Braut genommen werden. Bei einem triftigen Grund muß es sich um einen Sachverhalt handeln, der objektiv dem sittlichen Zweck und Wesen der Ehe widerspricht. Bei einem zu großen Altersunterschied licet nach einer anderen oberstgerichtlichen Entscheidung ein solcher Sachverhalt vor. Zu einer dem sittlichen Zweck und Wesen der Ehe entsprechenden ehelichen Verbindung gehört unter anderem auch eine gesunde, den Naturgesetzen entsprechende Relation zwischen dem Alter des Mannes und dem der Frau; sie ist zum Beispiel bei einem Altersunterschied, der dem Verhältnis Großvater und Enkelin nahekommt, nicht gegeben.

Die Volljährigkeit erlangt ein Mädel mit Vollendung des 21. Lebensjahres. Wenn ein minderjähriges Mädel heiraten will, ist seine vorherige Volljährigkeitserklärung (Entlassung aus der väterlichen Gewalt) nicht erforderlich. Es muß aber die Ehemündigkeit gegeben sein. In vereinzelten Fällen kann es aber vorkommen, daß ein Mädel schon vor Erlangung der Ehemündigkeit, also vor Vollendung des 16. Lebensjahres, heiraten möchte. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, daß das Vormundschaftsgericht Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit erteilt und ein erst 14 oder 15 Jahre altes Mädchen heiraten läßt. Dies wird natürlich nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen von zwingenden Gründen — etwa bei Schwangerschaft des Mädels — erfolgen. Das Gericht wird die persönlichen Verhältnisse des Mädels und seines Bräutigams gewissenhaft prüfen und nach Anhörung deren Eltern die Heiratsbewilligung nur dann erteilen, wenn die beabsichtigte Eheschließung im Interesse des minderjährigen Mädchens: gelegen ist und die Ehe voraussichtlich auch von Dauer sein dürfte.

Wenn sich ein minderjähriges Mädel verheiratet, so wird es in allen Angelegenheiten, die seine Person betreffen, bis zum Eintritt der Volljährigkeit nicht mehr vom Vater oder Vormund, sondern vom Ehemann vertreten. Hierzu zählt vor allem die Vertretung vor Gericht und Verwaltungsbehörden (zum Beispiel anläßlich der Ausstellung eines Reisepasses). Hingegen wird das Vermögen weiterhin bis zur Volljährigkeit vom Vater oder Vormund verwaltet. Wenn der Ehemann stirbt, während die Frau noch minderjährig ist, kommt sie wieder unter die väterliche Gewalt; das gleiche gilt, wenn eine minderjährige Frau geschieden wird.

Ein Bursch erlangt die Ehemündigkeit gleichzeitig mit dem Eintritt der Volljährigkeit, also mit Vollendung des 21. Lebensjahres. Zu einem früheren Zeitpunkt kann er nur dann heiraten, wenn er a) das 18. Lebensjahr vollendet hat, b) vom Vormundschaftsgericht für volljährig erklärt wurde und c) vom Vormundschaftsgericht Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit erhielt.

Im Gegensatz zu den Mädchen kann ein Bursch vor Vollendung des 18. Lebensjahres in keinem Fall heiraten.

Nach dem Gesetz können eheliche Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, aus der väterlichen Gewalt treten, wenn sie der Vater mit ihrer Einwilligung und mit Genehmigung des Gerichtes ausdrücklich entläßt (§ 174 Allg. Bürgerl. Gesetzbuch). Eheliche Kinder, die keinen Vater mehr haben, und außereheliche Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, kann das Vormundschaftsgericht nach eingeholtem Gutachten des Vormunds und allenfalls auch der nächsten Verwandten mit seiner Einwilligung für volljährig erklären (§ 252 Allg. Bürgerl. Gesetzbuch). Bei ehelichen Kindern spricht das Gesetz von „Entlassung aus der väterlichen Gewalt“, und bei unehelichen Kindern von „Volljährigkeitserklärung“ — beides ist jedoch in seiner rechtlichen Auswirkung dasselbe.

Bei einem Antrag auf Volljährigkeitserklärung (Entlassung aus der väterlichen Gewalt), den sowohl der Vater (Vormund) wie auch der Minderjährige bei Gericht einbringen kann, wird zu diesem der Vater (Vormund) und der Minderjährige einvernommen.“ Nach keiner ''dber^gericht-lichen Entscheidung ist auch die Mutter anzuhören. Wenn eine Volljährigkeitserklärung begehrt wird, muß sie entsprechend begründet sein und dem Minderjährigen einen besonderen Vorteil bringen. Nach oberstgerichtlicher Entscheidung genügt die geistige und körperliche Reife des Minderjährigen allein nicht, um einen solchen Vorteil anzunehmen. Selbst die beabsichtigte Eheschließung und die Schwangerschaft der Braut allein sind nicht ausreichend (Landesgericht Wien, 10. Februar 1959). Der Minderjährige muß allgemein den Eindruck erwecken, daß er in der Lage ist, alle seine Angelegenheiten selbst gehörig besorgen zu können, landläufig gesprochen, daß er auf „eigenen Füßen steht“. Ferner muß er die Selbsterhaltungsfähigkeit besitzen und nachweisen, daß er in der Lage ist, für Quartier und Kost selbst aufkommen zu können. Dann kann man ihn, wenn ein besonderer Anlaß vorliegt, etwa eine berufliche Besserstellung oder beabsichtigte Eheschließung wegen Schwangerschaft der Braut, für volljährig erklären. In schwerwiegenden Fällen kann die Volljährigkeitserklärung auch gegen den Widerspruch des Vaters erfolgen.

Eine Volljährigkeitserklärung kommt aber dann nicht in Betracht, wenn der Minderjährige mangelhaft erzogen ist und noch keine entsprechende Berufsausbildung genossen hat, um sich sein tägliches Brot selbst zu verdienen, wenn er die erforderliche geistige Reife nicht besitzt und irgendwelchen Hirngespinsten nachjagt oder andere schwere Bedenken bestehen, vor aMem aber, wenn kein zwingender, im Interesse des Minderjährigen liegender Grund vorliegt.

Gleichzeitig mit dem Antrag auf Volljährigkeitserklärung kann ein Antrag auf Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit gestellt werden. Dem Antrag wird in der Regel dann stattgegeben, wenn der Minderjährige — außer den Voraussetzungen zur Volljährigkeitserklärung — auch noch jene erfüllt, die man von einem zukünftigen Ehemann erwartet. Er muß nämlich nachweisen, daß er in der Lage ist, außer sich auch seine zukünftige Frau zu ernähren und ihr ein entsprechendes Quartier zu verschaffen und darüber hinaus deren sonstige berechtigte Ansprüche zu befriedigen.

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