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Das Ende des Padrone ?

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Der bekannte italienische Glückwunsch „auguri e figli maschi!“ (auf daß Ihre viele Söhne bekommet) ist verurteilt, früher oder später in Vergessenheit zu geraten. Mit der Annahme des neuen Familienrechts werden die männlichen Privilegien, wenigstens von Gesetzes wegen, in hohem Maße abgebaut und besonders die Rechtsstellung der Ehepartner einander angeglichen. Sieht bereits die Verfassung aus dem Jahre 1947 in Artikel 29 die „juristische und moralische Gleichstellung der beiden Ehepartner“ vor, so bedurfte es 27 Jahre, um dem im Grundgesetz verankerten Prinzip durch ein besonderes Gesetz /Achtung zu verschaffen.

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Der bekannte italienische Glückwunsch „auguri e figli maschi!“ (auf daß Ihre viele Söhne bekommet) ist verurteilt, früher oder später in Vergessenheit zu geraten. Mit der Annahme des neuen Familienrechts werden die männlichen Privilegien, wenigstens von Gesetzes wegen, in hohem Maße abgebaut und besonders die Rechtsstellung der Ehepartner einander angeglichen. Sieht bereits die Verfassung aus dem Jahre 1947 in Artikel 29 die „juristische und moralische Gleichstellung der beiden Ehepartner“ vor, so bedurfte es 27 Jahre, um dem im Grundgesetz verankerten Prinzip durch ein besonderes Gesetz /Achtung zu verschaffen.

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Das noch vom Abgeordnetenhaus gutzuheißende Gesetz will mit uralten Bräuchen, nach denen in abgelegenen Gebieten Süditaliens heute noch gelebt wird, ein für allemal aufräumen. Die Heraufsetzung des heiratsfähigen Alters auf 18 Jahre (in Ausnahmefällen, durch ausdrückliche Genehmigung des zuständigen Richters nach eingehender Untersuchung, auf 16 Jahre) versucht, die Kinderehen abzuschaffen. Um unbeliebte überzählige Töchter zu versorgen und sich „rechtzeitig eine Bürde vom Hals zu schaffen“, nahen mittellose Süditaliener gelegentlich ihre Mädchen bereits im Volksschulalter an stolze Familien mit vielen

Söhnen gegen Vorausbezahlung abgetreten. Diese „compravendita rosa“ (Kauf und Verkauf von Ehen) soll fortan null und nichtig sein, indem das Gesetz den freien Willensentschluß auch der Braut zur Voraussetzung eines gültigen Eheschlusses erklärt. Kinderheiraten — sie 12, er 14 Jahre — sind von nun an ebenso ungesetzlich wie die „nozze riparatrici“ („Wiedergutmachungsehen“ der süditalienischen Draufgänger, die nach Vergewaltigung einer Minderjährigen nicht vor Gericht gestellt werden konnten, wenn sie sich bereit fanden, das Mädchen an den Altar zu führen).

Weitherum auf der Apenninen-halbinsel gilt die Ehe noch immer so sehr als „ihr Glück“ und „ihre Lebensversicherung“, daß mit dem Einverständnis des Mannes, auf seine souveräne Freiheit wenigstens so weit zu verzichten, daß er sich von nun an als Ernährer und Familienoberhaupt verdingte, jeder Schaden behoben oder wiedergutgemacht erschien.

Wer erkennt, daß mit der Änderung eines Gesetzes an sich noch wenig erreicht ist, und daß dies besonders für ein Land wie Italien gilt, wird mit gemischten Gefühlen dem Inkrafttreten des neuen Familienrechtes entgegensehen. Solange die Arbeitslosigkeit eher wächst als sich vermindert und die Millionengrenze nicht unterschreitet, aber auch der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ im Verhältnis der Geschlechter keineswegs verwirklicht ist, die jungen Damen vielmehr regelmäßig schlecht bezahlt oder nur für „besondere Dienste“ gut honoriert werden, hängen viele schöne Paragraphen gleichsam in der Luft.

Die Gefahr besteht, daß in entlegenen Gebieten und bei armen Leuten aus finanzieller Notlage, wegen Unwissenheit und Abhängigkeit, manche gesetzliche Bestimmung unterhöhlt und — gewissermaßen vom Leben her — außer Kraft gesetzt wird. Darf laut Gesetz der Mann nicht mehr den Wohnsitz der Familie selbstherrlich bestimmen, so fragt es sich, wie sehr Frau und Kinder aus bloßer Armut, körperlicher Unterlegenheit und „weil es die Leute so wollen und es immer so war“, trotzdem an das Machtwort ihres Herrn und Meisters gebunden sind.

Mit dem Recht der Frau, fortan den eigenen neben dem Namen des Mannes zu führen, ist die Gleichberechtigung nur äußerlich erreicht. Mehr wiegt die erhebliche Vermehrung der Nichtigkeitsfälle, die zur Auflösung einer Ehe kraft richterlichen Urteilsspruchs berechtigen. Besinnt sich eine Ehefrau tatsächlich darauf und sucht sie ihr Recht mit Hilfe des Richters durchzusetzen, so kann sie der bisherigen Sklaverei ein Ende bereiten. Auf diese Weise wird aber auch das bestehende Scheid ungsgesetz konkurrenziert und seine allfällige Abschaffung durch Referendum mittels Volksentscheides für die unglücklich Verheirateten tragbar.

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