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Sozialisierung und Planwirtschaft

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Es war ein dankenswerter Versuch, den Professor Dr. Hans Bayer mit einem Vortrag unternahm, in eine durch Leidenschaften und Schlagworte verwirrte Diskussion wissenschaftliche Klarheit hineinzutragen. Durch Fußnoten ergänzt, liegt diese interessante Arbeit jetzt im Druck vor (Verlag Manz, Wien). Professor Bayer definiert Planwirtschaft als „Regelung der Volkswirtschaft durch bewußte Entscheidung vom Gesichtspunkt der Gesamtwirtschaft aus, also nicht primär durch Selbstregulierung“, wobei die Art der Durchführung dieses Planes unwesentlich ist. Da der Verfasser Sozialisierung als „Maßnahmen des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften, durch die Produktionsmittel in das Eigentum des Staates oder der genannten Körperschaften übernommen werden, damit sie im Rahmen eines volkswirtschaftlichen Gesamtplanes im Sinne der Erreichung des reinen Wirtschaftszieles geführt und verwaltet werden“ definiert, kommt er zu dem Schluß, daß „Sozialisierung in der freien Verkehrswirtschaft und in ihren konkreten Gestaltungen unmöglich ist“. (Über die Begriffsbestimmung, die Bayer für Sozialisierung gibt, kann man verschiedener Meinung sein, da es nicht angeht, die tatsächliche planwirtschaftliche Zweckgebundenheit der meisten Sozialisierungsmaßnahmen in ein notwendiges Begriffsmerkmal umzudeuten.) Zwischen freier Verkehrswirtschaft und Planwirtschaft gäbe es kein drittes primäres Ordnungsprinzip der Wirtschaft, legt der Autor weiterhin dar. Auch der „dritte Weg“ Röpkes, Solidarismus, Interventionismus, sei es nicht. „Entweder geht man in der Wirtschaftsorganisation von Planwirtschaft oder von freier Verkehrswirtschaft aus.

Von diesen Begriffsbestimmungen ausgehend, entwickelt Professor Bayer die „sekundären Ordnungsprinzipien“, das heißt die Art der Durchführung der Planwirtschaft und führt in die Praxis dessen, was er als Planwirtschaft bezeichnet, überraschenderweise die marktregelnde Funktion des Preises wieder ein. Er meint, daß in einer Planwirtschaft „der Konsum im einzelnen freigestellt ist“, und empfiehlt eine „Methode des Ausprobierens, um die Preise festzusetzen, die in der Planwirtschaft dieselbe wäre, nach der jetzt die Preise auf dem Markt entstehen“. Professor Bayer geht sogar so weit, zu erklären, daß „die kaufkräftige Nachfrage nach wie vor zu einer Preisbildung führt und damit das Ausmaß der Produktion bestimmen soll“. Erhöhte Nachfrage nach einem Produkt würde dazu führen, daß der Preis hinaufgesetzt wird und so die Mittel gewonnen werden, die Produktion rasch auszudehnen. Es fragt sich nur, wo da die Planwirtschaft bleibt.

Der Fehler dieses Ideengebäudes ist offensichtlich schon in seinen Definitionen zu suchen. In dem Bestreben, von der Planwirtschaft ausgehend, diese mit den Erfordernissen eines hochentwickelten Wirtschaftskörpers in Übereinstimmung zu bringen, entleert er die Idee der Planwirtschaft solange ihres wesentlichen Inhalts, bis wenig mehr übrigbleibt als der Name „Planwirtschaft“ und der Plan als Hülle für ein im Kern marktwirtschaftliches System.

Besondere Beachtung verdienen die Betrachtungen des Verfasse' über das Wirtschaftsziel vor allem deshalb, weil er darauf verzichtet, Vollbeschäftigung als das Ziel der Wirtschaft hinzustellen. Er bezeichnet richtig „möglichst weitgehende Bedürfnisbefriedigung“ als das Gesamtziel der Wirtschaft und sieht die Bedürfnisse mit Recht nicht in den objektiven Zahlen eines Plans, sondern in ungezählten und unzählbaren subjektiven Mangelgefühlen ausgedrückt. Damit macht der Verfasser den entscheidenden Schritt aus dem Bereich der Plan- in den der Marktwirtschaft.

Auf Namen kommt es auch hier nicht an. Sie sind oft dem Zeitgeist abgelauscht. Einen Plan (mit sehr konkreten Größenverhältnissen, mit Ist- und Sollzahlen) legt heute jede Wirtschaftspolitik (Österreich ausgenommen) ihren Maßnahmen zugrunde. Das, worauf es ankommt, ist die Frage, inwieweit die subjektiven Bedürfnisse in ihrer auf dem Markt ausgedrückten Gesamtheit Umfang und Richtung der Produktion bestimmen Daß nur auf diesem Wege eine eciite Bedürfnisbefriedigung erreichbar ist, scheint die Auffassung des Autors zu sein — sosehr er sie auch in planwirtschaftlichem Beiwerk verbirgt. Daß eine Reihe wesentlicher Fragen unbeantwortet bleibt oder daß diese Lücken durch einige, die Planwirtschaft beschönigende Pinselstriche überdeckt werden, mag in der Beengung eines Vortrages seine Begründung finden.

Zusammenfassend ist zu sagen, daß den Ausführungen des Professor Bayer in mancher Hinsicht zwar nicht zugestimmt werden kann, daß sie aber eine Reihe wertvoller Gedanken enthalten. Es ist überaus erfreulich, daß ein Wissenschaftler, der sich selbst als Planwirtschaftler bezeichnet, den Versuch unternimmt, unter Bedachtnahme auf die neuesten Erkenntnisse und Erfahrungen ein durch Doktrinen nicht belastetes, sondern durch die Erfordernisse der Wirtschaft bestimmtes praktisches System zu entwickeln. Es ist nicht seine Schuld, daß er die Kluft nicht überbrücken kann, die zwischen einer optimalen, das heißt auf den Konsumenten bezogenen und daher notwendig eine fluktuierende Produktion verursachenden Bedürfnisbefriedigung und der Notwendigkeit klafft, eben dieser Produktion im Interesse der Beschäftigten (und damit wieder des Konsums) eine gewisse Stetigkeit zu geben.

Vielleicht wird aber — und ich möchte es hoffen — die Arbeit zur Grundlage einer Diskussion, die aufzeigt, wie eine konzeptive und für das Wirtschaftsgeschehen verantwortliche Politik mit einer konsumorientierten, das heißt marktbestimmten Produktion oder — um die Frage anders zu stellen — wie subjektiv optimale Bedürfnisbefriedigung und Stetigkeit der Produktion in ein einheitliches System gebracht werden können.

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