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Der Leviathan in der Planwirtschaft
Das Schlagwort Planwirtschaft wird jetzt herumgereicht wie der Stein der Weisen. Es will ein Wirtschaftssystem bezeichnen, das die ganze Wirtschaft, nicht etwa nur Teile von ihr, einer einheitlichen Lenkung durch eine oberste zentrale Autorität unterwirft, eine Ausschaltung der privatwirtschaftlichen Initiative, die zu ihrer wirklichen Funktion im Grunde eine breite Verstaatlichung der Produktion voraussetzt. Also ein ideales Ziel eines sozialistischen Staatswillens, mit gewissen Beschränkungen auch von manchen im nichtsozialistischen Staat für möglich gehalten. Abgesehen von den rechtlichen Konstruktionen, auf denen die Planwirtschaft aufbauen müßte, ist bei diesem Thema immer eine Frage ersten Ranges in Diskussion: Wenn der Staat die ganze Wirtschaft meistert, wenn er Herr ist über die Produktionsmittel und die Lebensbedingungen des Staatsvolke% — ist dann die p e r s ö n-liche Freiheit gesichert oder wird der Leviathan Staat nicht auch die Persönlichkeitsrechte, die Freiheit des Arbeiters verschlingen und ihn für den privaten Unternehmer den omnipotenten Staat eintauschen lassen? Wird am Ende dieser Entwicklung der Maschinenmensch, der Sklave des bürokratischen seelenlosen Mechanismus, stehen?
Es ist erkennbar, daß auch die sozialistische Dialektik, wenn sie die Planwirtschaft befürwortet, doch mit dieser inhaltschweren Frage ringt. Im letzten Heft der „Zukunft“ belaßt sich ein von Peter Anders stammender Aufsatz: „Planwirtschaft und Demokratie“ mit dem Gesamtkomplex dieses Themas und kommt dabei zu dieser großen Crux, das über die Planwirtschaft schattet. Natürlich ist es entsdieidend, wie sich in der Planwirtschaft die Lohnbestimmung vollziehen soll, also die Ordnung der existenziellen Grundlagen der Arbeiterschaft. Anders kommt in seiner Untersuchung zu der Meinung, daß die Summe der auszuzahlenden Löhne ein entscheidender Teil des zentralen Gesamtplans sei und deren Höhe wohl von der politischen Vertretung bestimmt werden müsse, während die Verteilung auf einzelne Industrien und auf verschiedene Arbeiter-kategorien eine Aufgabe der Planbehörden sei, die diese im Einvernehmen mit den Vertretungen der einzelnen Arbeitergruppen zu lösen haben werde.
Der Verfasser des Aufsatzes in der genannten wissenschaftlichen Monatsschrift
des österreichischen Sozialismus stellt selbst die Frage: „Was aber, wenn ein solcher Ausgleich nicht zustande kommt? Sollen die Gewerkschaften so uneingeschränkt bleiben, daß sie berechtigt sind, ihre Forderungen mit allen Mitteln, gegebenenfalls auch mit denen des Streiks, durchzusetzen? Der Autor antwortet mit einem klaren Nein. Bei Lohnstreitfällen bleibe nur das Schlichtungsverfahren, der Appell an eine Art Obersten Arbeitsgerichtshof — und dieser Appell dürfe nur den Gewerkschaften und Betriebsleitungen, nicht etwa einzelnen Arbeitergruppen offenstehen. Wenn dann der einzelne Arbeiter mit der erfolgten Lösung der Lphnfrage nicht einverstanden sei, habe er ja die Freiheit, sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen ...
„Praktisch bedeutet dies — räumt der Verfasser ein — ein Verbot von Streiks für höhere Löhne. Es bedeutet aber nicht ein generelles Streikverbot. Immer noch besteht die Möglichkeit, daß die Arbeiter m i t anderen Dingen, mit der Tätigkeit der Betriebsleitung, aber auch mit politischen Entscheidungen, die ihre eigene Industrie betreffen, unzufrieden sind. Auch hier sollen Streiks nicht leicht gemacht werden und sollen sofort beendet werden, wenn eine oberste, neutrale Körperschaft — etwa ein Ausschuß der parlamentarischen Vertretung — die Streitfrage entschieden hat. In allen anderen Fällen sollen Streiks verboten werden.“
Es ist keine verlockende Aussicht, die
dieser Plin einer Planwirtschaft einer freiheitsliebenden Arbeiterschaft eröffnet. Vergegenwärtigt man sich die Machtvollkommenheit einer mit solchen Rechten ausgestatteten zentralistischen Wirtschaftsbürokratie, so erscheint daneben die Gestalt eines einstigen Kaisers von Österreich als ein armer Schlucker.
In Frankreich isl alles erlaubt, was nicht verboten ist, und nichts kann verboten werden als durch das Gesetz, durch die Gerichtshöie oder durch Maßregeln der Oberpolizei, wenn es sich um die Sitten und die öffentliche Ordnung handelt. Ich sage es noch einmal, ich will keine Zensur, weil jeder Buchhändler verantwortlich ist für die Werke, die er verkauft, weil ich nicht für die Dummheiten, die man drucken kann, verantwortlich sein will, weil ich mit einem Wort nicht will, daß ein Kommis den Geist tyrannisiere und das Genie verstüm-
me'e* Napoleon I. an den Polizeiminister
Fouche, 15. Jänner 1806
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