Demo - © Foto: IMAGO / Andreas Stroh

Politikpsychologe: „Nostalgie ist ein anderer Ausdruck für Denkfaulheit“

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Der Politikpsychologe Thomas Kliche über die Demonstrationen gegen Rechts, das Problem etablierter Parteien und die Frage, wie man Wählerinnen und Wähler wieder für Demokratie begeistern kann.

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Der Politikpsychologe Thomas Kliche über die Demonstrationen gegen Rechts, das Problem etablierter Parteien und die Frage, wie man Wählerinnen und Wähler wieder für Demokratie begeistern kann.

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Rechte Parteien sind wieder im Aufwind. Sie spielen mit nostalgischen Gefühlen, liefern aber nie realitätsfähige Lösungen. Der Politikpsychologe Thomas Kliche erklärt, warum sich etablierte Parteien viel stärker reflektieren sollten, und wie man Bürgerinnen und Bürger begeistern kann, politisch aktiv zu werden.

DIE FURCHE: Herr Kliche, Woche für Woche demonstrieren zehntausende Menschen in Deutschland gegen die AfD, nun gab es auch in Österreich Demonstrationen gegen rechts. Wie bewerten Sie das als Politikpsychologe: Sehen Sie, dass sich hier etwas verändert in der Gesellschaft? Sogar eine Art Turning Point?
Thomas Kliche: Es ist ein möglicher Turning Point, ja. Hier findet ein vielfältiges Spektrum zusammen, um den eigenen Standpunkt zu klären und zu stärken. Das bringt mehrere Einsichten, die kaum zu übergehen sind. Erstens: Rechtsextreme sind nicht das Volk und sprechen nicht für das Volk. Zweitens: Der Populismus gebiert Streit und Konflikte statt Einigkeit. Drittens: Es geht für die Rechtsextremen nicht immer nur bequem wie im Fahrstuhl aufwärts, weil die Medien sie hofieren und sie nie realitätsfähige Lösungen vorschlagen müssen. Die große offene Frage ist nun allerdings, wen die Demos wohin orientieren. Gegen rechts zu sein, für Demokratie, ist sympathisch, aber inhaltsschwach. Das genügt nicht, um die Mangelleistungen verworrener, zerstrittener Regierungen auszugleichen. Nur langfristige Problemlösungen nehmen dem Rechtsextremismus den Wind aus den Segeln, und die müssen nun angepackt werden.

DIE FURCHE: Rechte Parteien schaffen es dennoch europaweit, Wählerinnen und Wähler anzuziehen. Ob in Italien, in den Niederlanden oder in Ungarn: Was machen diese Parteien in der Kommunikation mit den Wählern anders?
Kliche:
Die Geballte Internet-Präsenz, einfach bestimmte Botschaften einhämmern und durch emotionale Aufladung für den Algorithmus attraktiv machen, sodass sich wie von selbst Blasen bilden und Deutungen massenhaft verbreiten, nutzen diesen Parteien – derzeit etwa, die „Botschaft“, die Demos seien von der Regierung bestellt. Die Kommunikation ist außerdem, wie die ganze Politik, von Selbstaufwertung und Gefühlsaufladung geprägt. Das verschafft ihr nicht nur die selbstverstärkende Präsenz in den sozialen Netzen. Sondern deshalb messen ihre Anhänger rechte Parteien mit anderen Maßstäben. Keine Partei hatte in Deutschland so viele Skandale wie die AfD, einschließlich zahlreicher gespaltener Fraktionen, finanzieller Fehltritte oder Hochstapelei von Kandidaten. Aber Populisten, etwa Trump-Fans, stört das nicht, sie sind völlig resistent gegen Sachargumente und langfristige Vernunft. Sie stecken in einem Verfolgungs-Verschwörungs-Wahn. Und der ist emotional so attraktiv, dass sie ihn durch ihr Kommunikationsverhalten abdichten: Sie informieren sich überwiegend aus gleichgefärbten Kanälen im Internet. Attraktiv machen den Populismus dabei sein genussvoller Größenwahn und seine Hasslizenz: Die eigene Gruppe wird als hochwertig und machtvoll erlebt, deshalb werde sie ja angegriffen, von Fremden und Eliten, und sie muss sich daher verteidigen. Der Populist darf also ganz gerechtfertigt Aggressionen ausleben. Obendrein bekommt er eine griffige, einfache Erklärung für die Gefährdungen durch den zerstörerischen kapitalistischen Wandel. Diese tiefe Emotionalität der Ausgrenzung ermöglicht rechten Parteien völlig andere psychologische Kontrakte mit ihren Anhängern.

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