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Frankreichs KP-Offensive
Die einen jubeln, andere wieder sind besorgt und die politischen Beobachter skeptisch. Seit Beginn dieses Jahres zeigt sich die Kommunistische Partei Frankreichs aggressiv. Sie unterstützt den Generalsekretär der CGT, Seguy, der mehrfach von einer Alternative zum gegenwärtigen Regime sprach.
Die einen jubeln, andere wieder sind besorgt und die politischen Beobachter skeptisch. Seit Beginn dieses Jahres zeigt sich die Kommunistische Partei Frankreichs aggressiv. Sie unterstützt den Generalsekretär der CGT, Seguy, der mehrfach von einer Alternative zum gegenwärtigen Regime sprach.
Als Ministerpräsident Chaban-Del-mas eine „neue Gesellschaft“ propagierte und eine Änderung des sozialen Klimas prophezeite, wurde dieses Konzept keineswegs uneingeschränkt bejaht. Die Gewerkschaften unterstrichen ihre Feindschaft, die orthodoxen Gaullisten trauerten den planetaren Visionen ihres Meisters nach, und die Zentrumsparteien bekannten sich wohl zur Mehrheit, aber fanden vorerst nicht den richtigen Stil der Zusammenarbeit mit der übermächtigen gaullistischen Fraktion.
Dies hat sich geändert. Seit Beginn dieses Jahres bezeugt die Nation wieder Vertrauen zu ihrer Führung. Sogar die einfache Hausfrau schätzt die neugewonnene Kaufkraft des Franc richtig ein. Die aufgeschlossenen Kräfte in der gaullistischen wie in den Zentrumsparteien proklamierten als Ziel eine Gesellschaftsordnung, die sich dar skandinavischen oder bundesdeutschen unter Führung Brandts nähert.
Machtprobe?
Die Kommunistische Partei ist sich dieses Aspektes durchaus bewußt. Sie könnte in eine Linie einschwenken, die der Politik der schwedischen und deutschen Sozialdemokratie entspricht, die Bindungen an Moskau lockern und dem italienischen Beispiel folgen. Nun ist^ie.-KP.ab; azAr nSSrt bereite Sie unterstreicht ihre revolutionären Tendenzen und will die „neue Gesellschaft“ eines Pompidou und Chaban-Delmas torpedieren.
Die CGT mit angeblich 2,300.000 Mitgliedern — die natürlich nicht alle Kommunisten sind — wird als Vorauskompanie entsandt, um den Sozialkontrakt in den Gas- und Elektrizitätswerken zu kompromittieren. Diese für die Industrie le-
bensnotwendigen Betriebe mit ihren 127.000 Angestellten und Arbeitern stehen unter dem Einfluß der kommunistischen Gewerkschaft, die 56 Prozent der Stimmen bei den Betriebsratswahlen erzielte. Tausende kommunistische Propagandisten wurden losgelassen. CGT setzte ein Referendum an und hofft, daß mindestens 50.000 Arbeitnehmer die Unterschrift ihrer nichtkommunistischen Kollegen desavourieren. Freilich: Die KPF ist keineswegs ein festgeformter Block, nicht nur die Affäre um den kommunistischen Starphilosophen Garaudy beweist, daß der Nachfolger des schwererkrankten Generalsekretärs Wal-deck-Roehet, Georges Marchais, den
Parteiapparat nicht vollkommen beherrscht. Entsprechend dem Beispiel der osteuropäischen Staaten ist die Intelligenz, die 9 Prozent der Effektivstärken ausmacht, kaum geneigt, den „demokratischen Zentralismus“ der Führungsspitze ohne Diskussion zu akzeptieren. Mag der unbequeme Garaudy vom kommenden Parteitag im Februar ausgeschlossen werden,
die strukturelle bcnwiengKeit wäre nicht beseitigt.
Der neue Generalsekretär der Sozialistischen Partei, Savary, wurde gewählt, um die Gespräche mit den Kommunisten wiederaufzunehmen. Dieser Kontakt geschieht von seiten der Sozialisten in einem Klima größter Unlust. Maßgebende Parteimitglieder, unter anderem der Vizepräsident des Parlamentes, Jean Mon-talat, verließen demonstrativ die SFIO. Andere wiederum, wie Chandernager, Wahlmanager des Senatspräsidenten Poher 1969, optierten öffentlich für eine Allianz mit dem nichtgaullistischen Zentrum. Das Generalsekretariat der SFIO ver-lautbarte, daß jede Diskussion über ein gemeinsames Programm mit den Kommunisten ausgeschlossen sei. Die liberale Linke zeigt sich verhalten. Die Radikalsozialistische Partei unter der Führung Maurice Faures
und Servan-Schreibers bereitet in unzähligen Komitees, regionalen Zusammenkünften und nahezu unter dem Ausschluß der Öffentlichkeit die Renaissance dieser ehrwürdigen Partei vor. Bleibt also die Konvention der Klubs, in der der einstige Künder der Union mit den Kommunisten, Mitterrand, eine immer bescheidenere Rolle spielt. Die Regierung ist von der kommunistischen Offensive keineswegs überrascht. Sie zeigt zumindest gegenüber diesem Gegner eine geschlossene Front. Da die UDR einen militanten Antikommunismus betreibt, bedeutet der Angriff der KPF Wasser auf ihre Mühlen. Die parlamentarische Mehrheit ist sich jedenfalls bewußt, daß der Gegner nach wie vor die Kommunistische Partei ist und nicht extrem linke Gruppen und Grüppchen, die seinerzeit die Ordnung bedrohten.
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