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Rumäniens blühendes Geschäft

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In der Entwicklung des rumänischsowjetischen Verhältnisses gilt das Jahr 1968 für viele westliche Chronisten als das Jahr der großen politischen Spannungen. Im Februar hatte die rumänische Parteidelegation die Budapester Vorkonferenz verlassen. Etwa zwei Wochen später lehnte Parteichef Ceaucescu in Sofia die Unterzeichnung eines gemeinsamen Appells z ur baldigen Verabschiedung des Atomsperrvertrages ab. Als siich in Moskau und den übrigen osteuropäischen Hauptstädten Besorgnis über den Prager Reformkurs abzeichnete, unterstützte Bukarest öffentlich das Recht auf eine eigene Linie und widersetzte sich der psychologischen Vorbereitung der Intervention. Und als diese trotzdem stattfand, verurteilten die rumänischen Kommunisten zwei Tage lang scharf diese „brüderliche Hilfe”.

Aber 1969 beteiligte sich dlie rumänische Parteidellegation an den Vorbereitungsarbeiten für das große kommunistische Treffen in Moskau, obwohl keine der von ihr gestellten Bedingungen erfüllt wurde. Auf der Moskauer Weltkonferenz vertrat die rumänische Partei zwar einen eigenen Standpunkt, Unterzeichnete aber alle Dokumente, bekennt sich seit dem uneingeschränkt dazu und bemüht sich um die Verwirklichung der darin enthaltenen Forderungen. Auch zum Atomsperrvertrag änderte Bukarest seine Einstellung, und an die Lage in der CSSR wird höchstens noch in zweideutigen Andeutungen erinnert. Hingegen wurde auf dem letzten Parteikongreß die Wirtschaftspolitik der Prager Reformer — allerdings ohne diese ausdrücklich zu nennen — kritisiert.

Die westdeutschen Kommentare zeigen sich noch immer von der günstigen Entwicklung des rumänischen Warenaustausches mit dem Westen, vor allem der Bundesrepublik, begeistert. Ein Aufschwung der rumänisch-französischen Handelsbeziehungen wurde nach den Besuchen des französischen Finanzministers Giscard d’Estaing 1967 und de Gaulles 1968 allgemein erwartet. Man wies gerne auf den sinkenden Anteil der COMECON-Länder am rumänischen Außenhandel hin. Der Anteil der COMECON-Länder am rumänischen Außenhandel begann 1965 (Ceaucescu trat die Nachfolge von Gheorghiu-Dej an) tatsächlich zu sinken. Bis 1967 verringerte er sich von 64,6 (1964) auf 47,4 Prozent.

Dieser Trend wurde im vergangenen Jahr mindestens vorläufig unterbrochen. Der COMECON-Han- del Rumäniens stieg wieder auf 49,0 Prozent. Der Warenaustausch mit der Sowjetunion, der von 1964 bis 1966 von 5481 Milliarden auf 4823 Milliarden Lei geschrumpft war, näherte sich nach einer leichten Steigerung im Jahre 1967 im vergangenen Jahr mit einer neuerlichen Ausweitung um 6,4 Prozent wieder dem Rekordniveau des Jahres 1964. Der rumänische Warenaustausch mit der Bundesrepublik ist gleichzeitig ziurückgegangen, die deutschen Ausfuhren nach Rumänien verringerten sich um rund ein Drittel. Rückläufig war auch der Handel mit Frankreich, wobei die rumänische Ausfuhr fast um 10 Prozent aurückging, während der französische Export nach Rumänien unverändert blieb. Ähnlich entwickelte sich der italienisch-rumänische Warenaustausch, obwohl auch hier die gegenseitigen Besuche in den letzten zwei Jahren eine günstige Entwicklung erwarten ließen. Rumäniens Schwierigkeiten beim Handel mit den anderen osteuropäischen Ländern traten in den ersten zwei Jahren des unter Anleitung des verstorbenen Parteichefs Gheorghiu-Dej ausgearbeiteten.

Fünf jahresplanes auf. Inzwischen wurden die Mitarbeiter Gheorghiu- Dejs außer Ministerpräsident Maurer abgesetzt. Die Schwierigkeiten waren zu einem guten Teil auf die in der Sowjetunion, der DDR, der CSSR und in Ungarn infolge der Wirtschaftsreformen vorgenommenen Korrekturen der Produktions- und Außenhandelsziele zurückzuführen. In allen diesen Ländern ist diese Schlappe überwunden. Das Interesse Bukarests an einer verstärkten Kooperation mit den COMECON- Partnern wird immer nachdrücklicher betont und durch zahlreiche Vereinbarungen belegt.

Die offiziellen rumänischen Angaben über den Handelsaustausch mit den kommunistischen Ländern werden offensichtlich propagandistisch manipuliert. Die richtigen Zahlen gelten als „streng geheim”, und auf Grund eines im Juni 1969 erlassenen Gesetzes werden Indiskretionen als Hochverrat geahndet. Doch auch aus den Zahlen über den Wesfchandel allein läßt sich auf eine neue Annäherung Rumäniens an das COMECON schließen.

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