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Sand im COMECON

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Das schon im März 1968 auf der Dresdner Kleinkonferenz (das heißt in Abwesenheit Rumäniens) beschlossene Gipfeltreffen des COMECON steht noch aus, obwohl in der Zwischenzeit maßgebliche Vertreter des Ostblocks des öfteren die Einberufung einer Wirtschafts-beraitung auf höchster Ebene verlangt haben. Zuletzt war es der Sekretär des „Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe“ — RGW (COMECON), Fadejew, der dieses Treffen für „die nächste Zeit“ ankündigte, und zwar auf der Jubi-läumssiitzung des Rates am 21. Jänner in Ost-Berlin. Die Ostblockführer scheinen die Tragweite der Schwierigkeiten einer Reform des COMECON völlig verkannt zu haben, als sie vor knapp einem Jahr in Dresden mit einer schnellen Ausarbeitung von Richtlinien zwecks „Vervollkommnung' der Tätigkeit der östlichen Wirtschaftsgemeinschaft rechneten. Nunmehr soll das östliche Gipfeltreffen noch im März stattfinden. Woum geht es dabei?

Um es vorwegzunehmen: Die herrschende Meinung, die Konferenz sei bis jetzt wegen des Widerstandes Bukarests nicht zustande gekommen und drohe an den Auffassungen Rumäniens über die Unantastbarkeit der nationalen Souveränität weiterhin zu scheitern, läßt zahlreiche Tatsachen außer acht und stellt nur die halbe Wahrheit dar. Gewiß hat Bukarest sein Befremden über den dn seiner Abwesenheit getroffenen Beschluß über die Einberufung der Konferenz vorerst ?ijidg; , verhetan-, licht. Eine Woche vor •'de“ 'Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR hatten sogar der rumänische Parteichef Ceavxescu auf seiner Prager Pressekonferenz die Teilnahme am einer von anderen beschlossenen Beratung abgelehnt. Die Sowjets hatten jedoch mehrmals nach der Dresdner Konferenz und bis zur Okkupation der Tschechoslowakei unmißverständlich gezeigt, daß sie ihre Auffassungen — über die rumänischen Einwände hinweg — ohne Hemmungen durchsetzen. Es ist auch seit langem nicht mehr die Rede davon, daß Bukarest schon die Einberufung grundsätzlich ablehnt und mit der Drohung eines Fernbleibens dieses Vorhaben zum Scheitern bringen möchte.

Vielmehr bekennt sich auch Bukarest zur Notwendigkeit einer — wie es heißt — Vervollkommnung der Tätigkeit des COMECON und hat zu diesem Zweck auch Vorschläge unterbreitet. Es erhob allerdings in verschiedenen Veröffentlichungen die Forderung nach einer Beibehaltung der im COMECON-Status verankerten Grundsätze der Achtung der nationalen Souveränität und der Gleichberechtigung und lehnte unter Berufung auf diese Grundsätze der Beziehungen zwischen sozialistischen Staaten die von anderen Staaten geförderte Integration und die Schaffung von internationalen Organen ab. Es entstand somit der Eindruck eines erneuten Konflikts zwischen Bukarest und Moskau, der die Beratungen vorerst blockiert

Nach rumänischer Auffassung soll „die Koordinierung der nationalen Wirtschaftspläne“ auf bilateraler und mulitlateraler Basis die „Hauptform der Zusammenarbeit zwischen den COMECON-Mitgliedsstaaten“ bleiben, obwohl aus der Koordinierung der Pläne unweigerlich eine gewisse „Integration“ entsteht. Denselben Standpunkt vertritt auch Polen, das ansonsten unterschiedliche Meinungen zu den Rumänen hat: „Die Koordinierung der langfristigen Pläne und die Spezialisierung der Produktion“ wurden vom stellvertretenden Ministerpräsident und Vertreter Polens im COMECON, Jaroszewicz, schon lange vor der rumänischen Stellungnahme als „die vordringlichste Aufgabe des Rates“ bezeichnet.

Obwohl die Sowjets über ihre wirklichen Ansichten so wenig wissen ließen, daß sogar die Jugoslawen zugegeben haben, über den sowjetischen Standpunkt nicht richtig informiert zu sein (Tanjug-Meldung vom 20. Jänner 1969), in einem Punkt haben sie sich doch geäußert, nämlich über die Koordinierung der Wirtschaftspläne: als die geeignetste Form der sozialistischen Integration wurde gerade die bilaterale und multilaterale Koordination der Pläne in einem Aufsatz von Beljajew in „Meschdunarodnaja Schisn“ bezeichnet (Heft 12/1968). Ähnliche Äußerungen liegen auch aus anderen Ostblockländern vor.

Der Begriff der „Koordinierung der Pläne“ schließt aber die Ausarbeitung eines „Superplanes“ auch als Endergebnis der Koordinierungsbestrebungen aus.

Übrigens hatte der ungarische stellvertretende Ministerpräsident Antal Apro schon im November zugegeben, daß auch auf Nationalebene „zentrale, sich auf gründliche Einzelheiten erstreckende Pläne kaum noch ausgearbeitet werden können“.

Nicht zu verkennen ist weiter, daß die beiden Organisationen übernationalen Charakters, der Güter-waggonpark (an dem sich Rumänien beteiligt) und das „Intermetall“ (dem Rumänien ferngeblieben ist), bisher auch die einzigen dieser Art geblieben sind, so daß die Vermutung berechtigt erscheint, daß die Erfahrung damit, trotz der gegenteiligen Beteuerungen die Erwartungen nicht erfüllt hat. Daß man im Ostblock im Augenblick nicht ernstlich an die Schaffung von übernationalen Organen denkt, ergibt sich auch aus einem Artikel in „Zycie Gospo-darcze“, 2/69, der einen in „Ekonomi-sta“ Nr. 4/5 1968 erschienenen Aufsatz von Marian Guzek, „Modelle einer internationalen Wirtschaftsintegration im Sozialismus“ darstellt.

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