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Während die Welt immer einfacher und unkomplizierter wird, globalisiere ich zunehmend mein eigenes Leben; mit einem Wort: Ich werde immer komplizierter!

Seit ich denke und die anderen handeln, höre ich die unangenehme und unaufhörliche Forderung nach einem "lebenslangen Lernen". Im Schatten der viel gepriesenen und genauso verlogenen "Flexibilisierungen", "Mobilisierungen", "Um- und Nachschulungen" und dergleichen mehr, die alle den natürlichsten Trieb des Menschen - den der Faulheit - beharrlich ignorieren, werden wir pausenlos mit ruhestörenden und völlig unnützen, rezeptartigen Befehlen (oder befehlsartigen Rezepten) bombardiert.

Ich will keine angeblich gut-gemeinten Tips für Arbeits- und Parkplätze, Ein- und Aufstiegsmöglichkeiten, Karriere- und Partnerschaftsplanungen geliefert bekommen. Noch dazu unaufgefordert.

An dieser Stelle muß ich etwas einschieben: Um für genügend Mißverständnisse zu sorgen und Verständnisse zu beseitigen, teile ich mit, daß ich kein "Aussteiger" bin, der in irgendeiner Wüste oder auf einer menschenleeren griechischen Miniinsel von nikotingeschwängerten Wiener Kaffeehäusern mit ihren unzähligen Zeitungen träumt.

Allerdings träume ich auch nicht umgekehrt: Auch in der größten Hektik unserer entzückend-provinziellen Metropole sehne ich mich keineswegs nach einem einsamen Südsee-Strand. (Mir ist das Gänsehäufel, vor allem im Sommer, bedeutend lieber.)

Zurück zu den unnützen, lebensaktivierenden Rezepten: Als mehr mutiger als mündiger Bürger lehne ich all diese aufrüttelnden Ratschläge lässig ab. Ich kann und will - wie schon erwähnt - mit dieser immer einfacher werdenden Welt nichts anfangen. So entschloß ich mich, ein überaus kompliziertes Lebensverfahren zu entwickeln; kurz gesagt: Ich lasse mich "ausschulen".

Im Gegensatz zu unserer überaus erfolgreichen und vielversprechenden Bildungspolitik, deren langfristiges Ziel das konsequente Erreichen einer "Halbbildung" ist, signalisiert meine "Ausschulung" keinen direkten Rausschmiß aus irgendeiner Schule. Da ich weder ein "Aussteiger" noch ein "Totalverweigerer" bin, symbolisiert meine "Ausschulung" keinen Dauerprotest gegen die staatliche oder sonstige Obrigkeit (schließlich und endlich bin ich pragmatisierter Beamter und weisungsgebundener Ehemann), sondern eine komplizierte Gegenposition gegen die immer einfachere Welt mit ihren permanenten und aufdringlichen - noch dazu "gut gemeinten" - Rezepten und Ratschlägen.

Jeder, der einen Arbeitsplatz sucht, weil er genug von der Arbeitslosigkeit hat, wird irgendwo "eingeschult". Bis man merkt, daß diese "neue Kraft" nur mehr die alten Probleme vermehrt, wird in sie viel Geld und Geduld investiert.

So habe ich schon vor vielen, vielen Jahren interessiert beobachtet, wie arbeitslose Bergarbeiter in der Steiermark zu arbeitslosen Metallarbeitern umgeschult wurden.

Im Gegensatz zu diesen und ähnlichen, ziemlich sinnlosen Maßnahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik (warum soll ich nur unsere Bildungspolitik lobend erwähnen?) kostete meine "Ausschulung" so gut wie nichts. Wie ich auch die produktionsorientierte Bergbauernhilfe mit einem Gehalt als Landschaftspfleger und Stierwäscher (nicht nur in Salzburg) ersetzt hätte, so wäre die Förderung von gekonnten Ausschulungsmaßnahmen sinnvoll und menschengerecht.

Jeder erfolgreiche Ausschüler kann zum Beispiel seine Zeit sinnvoll einteilen. Wie heißt nur der alte Spruch? Der liebe Gott hat die Zeit erfunden, von einer Einteilung hat er jedoch nichts gesagt.

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