Von der Herrschaft des Pöbels

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Es hat ja schlechte Tradition, dass Politiker ihr Ohr ganz nahe beim Volke haben, es ihm nicht nur leihen, sondern ganz und gar schenken und die Wünsche, die sie vernehmen, sogleich in politischen Forderungen vertonen. Im alten Griechenland erfand man für diese Spezies von Schwätzern den Begriff des Demagogen. Der einsichtsvolle Diogenes aus Sinope zum Beispiel hat nicht nur seinen Kollegen Platon mit seinen Spitzfindigkeiten zur Verzweiflung getrieben, sondern auch polternde Redner. Er vernichtete sie mit kurzem rhetorischen Streich: „Demagogen sind die Lakaien des Pöbels.“ Diese Feststellung hat auch nach über 2500 Jahren nichts von ihrem Charme verloren. Denn sie verdeutlicht eindringlich, wer den Demagogen, den vermeintlichen Verführer der Masssen eigentlich reitet: die Massen selbst, der Pöbel. So ein Pöbel ist ja in seinem Grundwesen eine Ansammlung missgestimmter Menschen, deren geistiges Niveau sich immer dem Schwächsten der Gruppe anpasst und deshalb über den Quotienten 80 selten hinausreicht. Was passiert also, wenn ein Demagoge auf dieses Niveau herunterkollert?

Orbán’sche Leuchtkraft

Der ungarische Premier Viktor Orbán bietet dazu ein Beispiel von eindringlicher Leuchtkraft. Ohne besondere Not, einfach nur um seinem abgewählten Amtsvorgänger eins auszuwischen, gab er vergangene Woche bekannt, das ungarische Budgetdefizit sei in Wirklichkeit doppelt so hoch, als von der alten Regierung angegeben, das Land stehe kurz vor einem finanziellen Notstand. Das stimmte zwar nicht, wie der ungarische Notenbankpräsident korrigierend feststellte. Doch da war der Schaden schon angerichtet. Die Finanzmärkte, so musste Orbán feststellen, bestrafen neuerdings nicht nur reale Budgetkrisen, sondern auch herbeigequatschte. Sofort rasselte nicht nur der Forint hinunter und die Risikoaufschläge für ungarische Staatsanleihen wurden in lichte Höhen katapultiert. Auch der taumelnde Euro wurde wieder in Mitleidenschaft gezogen, und auch Österreich muss höhere Zinsen für seine Staatsanleihen zahlen.

Wir können nun aus dem Schlammassel mehreres ableiten. Erstens: Demagogen sind in Zeiten der Hochkonjunktur als Regierungsbeteiligte zwar eine lästige Erscheinung, doch ihre mangelnde Bildung und Weitsicht wird da noch nicht zum existenziellen Problem - und wenn, dann höchstens für sie selbst. Das belegt die autoagressive Regierungsbeteiligung der FPÖ/BZÖ in Österreich.

Der Topf und sein Überkochen

Zweitens: In Zeiten der Krisen-Hysterie, in denen selbst die Auslassungen eines Kleinstaat-Populisten ausreichen, den Topf zum Überkochen zu bringen, sind regierende Demagogen äußerst gefährlich. Orbán jedenfalls scheint aus den - wie man hört - ruppigen Telefonaten mit Washington, Berlin und Brüssel die Lehren gezogen zu haben. Er verspricht nun statt einem Budgetdesaster eine Steuersenkung, während er durch Überschwemmungsgebiete watet.

Nun aber zu unserem eigenen politischen Wohl und Wehe. Krisen haben es an sich, das gesellschaftliche Klima zu zerrütten und Kräfte ins Spiel zu bringen, deren Haupteigenschaft es ist, unerfüllbare Wünsche des Volkes zu vertreten. Beispiele gefällig? „Keinen Cent an Griechenland“ (Strache), „Währungsunion mit Deutschland“ (Mölzer) „Alarm! Unser Budget, unsere staatliche Existenz ist in Gefahr“ (Königshofer) “, „Zweiter Euro für wirtschaftsschwache Länder“ (BZÖ).

Gedankenfrüchte dieser Art, die den Eindruck vermitteln als wären sie am Stammtisch gereift und feucht-fröhlich geerntet worden, darf man sich nun kurz als ernsthaften Debattenbeitrag einer Bundesregierung in einer zum Zerreissen gespannten Wirtschaftslage vorstellen. Sodann halte man sich für wenige Sekunden (sonst schmerzt es) die Reaktion der Finanzmärkte vor Augen. Deshalb eine Wahlempfehlung für die kommenden Jahre: Alles, nur nicht ... !

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