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Basis des Wirtschaftens

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M-j'me gesunde Wirtschaftsentwicklung kann nur dann vor sich gehen, wenn der Maßstab aller wirtschaftlichen Vorgänge und die Grundlage der Berechnungen, auf denen die Vielzahl der wirtschaftlichen Entscheidungen beruht, nämlich die Stabilität der Währung, gewährleistet ist. Die Erhaltung der Kaufkraft des Geldes ist die unbedingte Voraussetzung dafür, daß die dauernde Expansionstendenz der Wirtschaft sich in einer gleichmäßigen Entwicklungslinie vollzieht und nicht allzu hektischen Konjunkturaus-schlägen in Form eines krassen Wechsels von Überhitzungen und Depressionen unterworfen ist. Das möglichste Flachhalten der Konjunkturwellen und -täler - ein völliges Ausschalten aller Konjunkturbewegungen wird wohl kaum möglich sein und ist nicht einmal unbedingt erwünscht — stellt insofern einen Gewinn für die Volkswirtschaft dar, als die übersteigerte Kapazitätsausweitung in der Periode der Hochkonjunktur und das darauffolgende Brachliegen der wirtschaftlichen Möglichkeiten in der Depression — abgesehen von allen anderen Nachteilen — ein unrationelles Einsetzen der Produktionsmittel mit sich bringt.

Während die wirtschaftliche Einsicht aller dafür verantwortlichen Experten und Politiker bereits so groß ist, daß die Verhinderung einer echten Inflation in allen hochindustrialisierten Ländern eine Selbstverständlichkeit darstellt, ist das Problem der schleichenden Inflation, unter der man eine Kaufkraftentwertung von zwei bis drei Prozent im Jahr versteht, nach wie vor akut. Denn gerade die Erhaltung der Stabilität auch in bezug auf diese letzten drei Prozent erfordert eine hohe politische und wirtschaftliche Disziplin.

Die Hauptverantwortung für die Stabilhaltung der Währung lastet ohne Zweifel auf der Finanzpolitik. Diese stellt den inneren Schaltraum aller wirtschaftlichen Vorgänge dar. Von .hier aus werden die wirksamsten Regulierungen und Impulse vorgenommen, die für die Wirtschaftstätigkeit von Bedeutung sind. Diese steuernde Funktion der Finanzpolitik hat in der letzten Zeit an Bedeutung gewonnen, da einmal die Einsichten und die Erfahrungen über die Vorgänge innerhalb der Konjunkturentwicklung gewachsen sind-und zum anderen die Aufgaben der öffentlichen Hand sich in solchem Maße ausgedehnt haben, daß sie ein Großteil des Volkseinkommens absorbieren. Das bedeutet also, daß die privatwirtschaftliche Tätigkeit mit ihrer starken Beeinflussung durch psychologische Momente nicht ganz sich selbst überlassen bleiben darf, sondern durch Maßnahmen einer aktiven Konjunkturpolitik entsprechend korrigiert werden muß. Anderseits stellt die durch die hohen öffentlichen Ausgaben bedingte große steuerliche Belastung der Wirtschaft eine Einschränkung der privatwirtschaftlichen Tätigkeit dar, die mitunter bis hart an die Grenzen dessen geht, was die Initiative des privaten Unternehmens überhaupt noch sinnvoll erscheinen läßt. Die Hauptgebiete der Finanzpolitik bestehen daher in der konjunkturgerechten Erstellung des Staatsbudgets und in einer solchen Handhabung der Besteuerung, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht gehemmt wird.

Der Haushalt des Staates nimmt innerhalb der Gesamtheit aller Wirtschaftsträger eine überragende Stellung ein, denn nahezu ein Drittel des Bruttonationalproduktes fließt durch die Kassen des Staates. Würde von hier aus unbedenklich allen Wünschen der verschiedenen Interessengruppen — deren Berechtigung im einzelnen sehr oft durchaus anzuerkennen ist, die in ihrer Gesamtheit aber die Möglichkeiten des Staates übersteigen — nachgegeben werden, so würde damit eine Inflationsquelle allerersten Ranges geschaffen werden. Es muß deshalb auf lange Sicht die Ausgeglichenheit des Staatshaushaltes gewährleistet werden. Die Wünsche der Öffentlichkeit können daher nur nach ihrer Rangordnung im Laufe der Zeit erfüllt werden, so wie es die Mehreinnahmen des Staates von Jahr zu Jahr ermöglichen, wobei vom Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit aus gesehen versucht werden muß, den Erfordernissen für die Besserstellung der wirtschaftlich zurückgebliebenen Bevölkerungsschichten eine Vorrangstellung gegenüber Verbesserungswünschen des Budgets der staatlichen Verwaltung zu geben. Im Hinblick auf die Konjunktur steht in der Budgetgebarung ein wirksames Instrument zur Verfügung, durch das in Jahren der Depression zusätzliche Mittel über den Weg von öffentlichen Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden können, während in Jahren der Hochkonjunktur durch möglichste Einschränkung der öffentlichen Ausgaben eine Konjunkturüber-hitzung hintangehalten werden kann. Diese Maßnahmen einer aktiven Konjunkturpolitik von der Budgetseite her müssen naturgemäß durch entsprechende Maßnahmen der Österreichischen Nationalbank auf dem Gebiete der Kreditpolitik ergänzt werden.

Auf dem Gebiete der Besteuerung stehen der Finanzpolitik eine Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, die es ermöglichen, die hohe Steuerbelastung so zu gestalten, daß sie der Wirtschaft die notwendige Bewegungsfreiheit erhält, um diese in, einer dynamischen Entwicklung halten zu können. Dann werden sich auch echte Wettbewerbsverhältnisse einstellen, die gewährleisten, daß sich die Preise tatsächlich dem Nachfrage-Angebot-Verhältnis anpassen. Dies stellt dem Konsumenten gegenüber eine Garantie dar, daß aus volkswirtschaftlichen Gründen gestiegenen Preisen auch Preissenkungen in solchen Bereichen gegenübertreten, in denen durch Rationalisierungen Kostensenkungen vorgenommen werden können. Darum sind alle jene steuerlichen Maßnahmen von großer Bedeutung, welche zur Anregung der Investitionstätigkeit und zur Rationalisierung der Produktion dienen. Dazu gehört vor allem die steuerliche Bewertungsfreiheit für Investitionen.

Die Wirtschaft ist naturgemäß einer ständigen Veränderung unterworfen, sie stellt ein Auf und Ab dar, das sich im Wechsel von Angebot und Nachfrage widerspiegelt. Den einzigen festen Punkt in diesem Geschehen stellt eine stabile Währung dar, die es sowohl der Wirtschaft als auch der staatlichen Finanz- und Wirtschaftspolitik gestattet, die richtigen Schlüsse für das Verhalten gegenüber dem wirtschaftlichen Geschehen zu ziehen.

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