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Verheizt unsere Blauhelme nicht!

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Lohnen sich Blauhelmeinsätze nach dem Debakel in Ex-Jugoslawien noch? Dazu exklusiv Divi-sionär Greindl, der jahrelang an Peace-keeping Operations beteiligt war.

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Lohnen sich Blauhelmeinsätze nach dem Debakel in Ex-Jugoslawien noch? Dazu exklusiv Divi-sionär Greindl, der jahrelang an Peace-keeping Operations beteiligt war.

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Einen Imageverlust in der Öffentlichkeit für Friedenseinsätze der Vereinten Nationen gibt Divisionär Günther Greindl zu, der ab 1977 14 Jahre lang als österreichischer „Blauhelm” bei verschiedenen Einsätzen persönlich engagiert war. Bei österreichischen Soldaten sei dies insofern weniger der Fall, als sie ja an Missionen beteiligt seien, die - anders als in Bosnien - durchaus erfolgreich und positiv zu bewerten sind (siehe Kasten unten).

UNO-Friedensmissionen, weiß Greindl aus langjähriger Beobachtung, sind ständig in einem Auf und Ab begriffen: „Es gab immer Zeiten, wo die Friedenstruppen die Idioten waren, mitschuld an der Krise ~ bis die nächste Krise kam, wo sie dann wieder etwas Gutes geleistet haben. Das war 1963 so nach dem Kongoeinsatz, obwohl der erfolgreich war, da waren die Peace-keeping-Truppen schuld, dann 1974 bei der Zypernkrise und 1983 als die Israelis in den Libanon hineingegangen sind.” Für Greindl stellt sich das Problem so, daß „wir dazu neigen, einen Erfolg hochzujubeln - Stichwort: Neue Weltordnung nach dem Kalten Krieg, die alles lösen wird - um bei einem

Mißerfolg sofort zu sagen, das ist ja alles unsinnig, da schaut nichts mehr heraus”. Der Di-visionär plädiert für eine längerfristige und distanziertere Betrachtungsweise von UN-Einsätzen, die Mißerfolge zugeben kann, gleichzeitig aber weiß, daß es so und soviele positive Missionen gab und gibt.

Aus diesem Grund befürwortet Greindl auch weiterhin ein starkes UN-Engagement Österreichs bei Friedenseinsätzen: „Von den 16 UN-Operationen laufen 15 ja relativ gut. Und wenn die Vorausssetzungen für Peace-keeping Operations stimmen, dann ist das ein durchaus sehr taugliches und nützliches Mittel, mir fällt kein besseres ein.”

Als Voraussetzungen nennt Greindl eine Übereinstimmung über das Mandat (das heißt also über die genaue Definition des Aufgaben- und Einsatzbereiches), die Zustimmung der Streitparteien, eine einheitliche Führung der Friedenstruppen und die Nichtanwendung von Gewalt. Unter diesen Hauptvoraussetzungen könne er UN-Friedenseinsätze befürworten: „Wenn die nicht gegeben sind, muß man sich überlegen, was man macht -dann muß man eben das tun, was man im Golf gemacht hat”, also einem Land oder einer Staatengruppe den Auftrag zur Wiederherstellung des Friedens mit militärischen Mitteln erteilen.

Warum ist eigentlich die Mission der UN-Friedenstruppen in Ex-Jugoslawien so daneben gegangen? Greindl differenziert: Von drei UN-Einsätzen im ehemaligen Jugoslawien, seien zwei, jener in Mazedonien und der in Kroatien, hier zumindest am Anfang, relativ erfolgreich verlaufen. „Beim Bosnieneinsatz muß man sagen, daß man schrittweise durch Erweckung falscher Hoffnungen in die derzeitige fatale Situation hineingekommen ist.” Schon der Titel UNPBOFOB - United Nations Protection Forces -habe die Truppen als Schutztruppen gekennzeichnet, die sie nie waren, weil sie anfänglich nur zur Absicherung der humanitären Hilfeleistungen gedacht waren. Erst danach sei eine Art Mandat zum Schutz der moslemischen Enklaven gekommen, wobei man weder deren Ausdehnung definiert noch die entsprechenden Kräfte dafür eingesetzt habe. „Daher waren die Voraussetzungen für eine UNO-Peace-keeping Operation in Bosnien nicht gegeben.

Anders als der Schweizer Sicherheitsexperte Curt Gastey-ger (siehe furche 24, Seite 1) glaubt Greindl, daß man nicht zu früh, sondern mit dem falschen Anspruch nach Bosnien hineingegangen sei. „Man hat den Eindruck erweckt, daß durch den Einsatz dieser UN-Truppen in Bosnien eine Befriedung herbeigeführt werden kann - obwohl man nur an eine humanitäre Operation dachte.”

In diesem Zusammenhang kritisiert Greindl den UN-Sicherheitsrat und macht ihm zum Vorwurf, wie die internationale Politik oder die Presse selbst zum Eindruck beigetragen zu haben, mit den UN-Truppen in Bosnien eine Befriedung herbeiführen zu können. „Man hätte sagen sollen, das ist kein UN-Friedenseinsatz, sondern ein militärischer Einsatz zur Absicherung humanitärer Hilfstransporte -und nicht mehr.”

Für künftige Einsätze schlägt Greindl, um Desaster wie jenes in Ex-Jugoslawien zu vermeiden, eindeutige Mandate des Sicherheitsrates vor, die mit den Mitteln übereinstimmen müssen: „Das heißt, daß man also - bevor der Sicherheitsrat ein Mandat beschließt, vor allem wenn der Einsatz militärischer Mittel gefordert wird - die Auswirkungen berücksichtigt und eine militärische Beurteilung anstellt, ob dieses Mandat mit den Kräften, die man zur Verfügung hat und die die Truppensteiler zu stellen bereit sind, überhaupt durchführbar ist. Also es muß nicht nur eine politische, sondern auch eine militärische Beurteilung des Auftrags geben. Heute ist es so, daß man hauptsächlich rein politisch agiert, wie in Bosnien - um irgendetwas zu machen, gibt's halt einen Beschluß, es wird etwas erklärt, aber die Konsequenzen hat man sich nicht überlegt. Ich möchte jetzt nicht sagen, daß man sich die gar nicht überlegt hat, wahrscheinlich gibt es Leute, die das getan haben, aber man hat nicht den richtigen Schluß daraus gezogen.”

Trotzdem sollten die UN-Truppen jetzt nicht aus Bosnien abziehen; sie müßten nach Ansicht Greindls auf das reduziert werden, was sie wirklich leisten können: nämlich die bestehenden Gebiete so gut wie möglich abzusichern und helfen, die Bevölkerung zu versorgen. „Und man muß ehrlich sagen, daß sie nicht mehr machen können.”

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