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UNO: Besser als ihr Ruf

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Man könnte nicht behaupten, daß das Ansehen der Vereinten Nationen im Moment außergewöhnlich hoch wäre. Im ehemaligen Jugoslawien hat sich die Weltorganisation nach überwiegender Auffassung zum Sklaven der Aggressoren gemacht, und in Somalia ist, so scheint es, aus einer ursprünglichen Aktion der Menschlichkeit eine Militärjagd nach dem Bandenhäuptling Aidid geworden, der bereits 24 pakistanische, vier amerikanische und zwei italienische Blauhelme zum Opfer gefallen sind.

Je weiter der Einsatzort vom Standort des Beobachters entfernt ist, umso rascher ist man mit einem simplifizierenden Urteil zur Hand. Aber vielleicht stimmt dieses Urteil zumindest im Fall Somalias nicht. Denn wahr ist vielmehr, daß der brutale Vernichtungskrieg, den Aidid gegen innersomalische Gegner führte, und die dadurch ausgelöste Hungersnot bereits 300.000 Menschenleben gefordert hatte, ehe die UNO eingriff. Dieser ist es innerhalb kürzester Zeit gelungen, die Kampfhandlungen drastisch einzugrenzen, den Flüchtlingsstrom zu stoppen, Tausende Kinder zu impfen und Hunderttausende vor dem Hungertod zu retten.

Diese beachtliche Leistung geht in der Tagesberichterstattung über spektakuläre Einzelscharmützel völlig unter. Die Einsatzbilanz in Somalia spricht eindeutig für die Vereinten Nationen, auch wenn das geforderte Balancieren zwischen Einmischung in somalische Innenpolitik (notwendig zur Beendigung des Krieges) und Nicht-zuviel-Einmischung (damit nicht Anmaßung suggeriert wird) sicher nicht optimal gelingt.

Faktum bleibt, daß die Zahl friedenstiftender und friedenerzwingender UN-Operationen drastisch zunimmt und der UNO ein völlig neues, umfangreiches Aufgabengebiet erwächst, auf das die Weltorganisation finanziell, politisch und organisatorisch noch keineswegs genügend vorbereitet ist. Die Errichtung einer stehenden Eingreiftruppe der UNO, für die möglichst viele Mitgliedstaaten Kontingente stellen, muß Nahziel der UN-Politik sein. Selbstverständlich kommen dafür (wie auch bisher) nur Freiwillige in Frage.

Das ist auch ein Fingerzeig für die künftige Verteidigungspolitik Österreichs. In dem Maß, in dem Europa sich zu einer gemeinsamen Sicherheitspolitik entschließt, wird ein Einsatz von Soldaten innerhalb des Kontinents (oder zumindest im heutigen Mittel- und Westeuropa) unwahrscheinlich.

Aber eine multilaterale Sicherheitspolitik wird auch Risken, nicht nur Chancen, und Pflichten, nicht nur Rechte einschließen. Mit Einsätzen an den Grenzen Europas und in anderen Krisenzonen der Erde muß gerechnet werden.

Dazu werden viele Österreicher nicht bereit sein. Schon jetzt fehlen, wie man weiß, Grundwehrdiener. Die Entwicklung in Richtung Freiwilligenarmee ist unvermeidlich. Wir müssen uns darauf einstellen, die politischen Und finanziellen Kosten dafür zu tragen.

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