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„Zwischen KPÖ und SPÖ“

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Die am 3. November 1918 gegründete und damit die Bepublik Österreich an Alter übertreffende KPÖ zerfällt weiterhin. Vorläufig letzter Akt: der Austritt des Reformkommunisten Dr. Theodor Prager. Dieser, der seit 1959 dem Zentralkomitee der KPÖ angehört, teilte in den letzten Tagen des vergangenen Jahres seinen „werten Genossen“ mit: „Ich glaube, wir haben den Punkt erreicht, wo wir einander nichts mehr zu sagen haben.“ Damit zog er nach 35 Jahren in der und für die Partei einen Schlußstrich. Er hält es für „nicht mehr sinnvoll, einer Partei anzugehören, wo ich“ — wie er versichert — „zwar im engsten Kreis oder intern meinen Standpunkt vertreten kann, nicht aber die Möglichkeit hatte, diesen Standpunkt auch publik zu machen, ohne in schwersten Konflikt mit der Parteiführung zu kommen.“

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Die am 3. November 1918 gegründete und damit die Bepublik Österreich an Alter übertreffende KPÖ zerfällt weiterhin. Vorläufig letzter Akt: der Austritt des Reformkommunisten Dr. Theodor Prager. Dieser, der seit 1959 dem Zentralkomitee der KPÖ angehört, teilte in den letzten Tagen des vergangenen Jahres seinen „werten Genossen“ mit: „Ich glaube, wir haben den Punkt erreicht, wo wir einander nichts mehr zu sagen haben.“ Damit zog er nach 35 Jahren in der und für die Partei einen Schlußstrich. Er hält es für „nicht mehr sinnvoll, einer Partei anzugehören, wo ich“ — wie er versichert — „zwar im engsten Kreis oder intern meinen Standpunkt vertreten kann, nicht aber die Möglichkeit hatte, diesen Standpunkt auch publik zu machen, ohne in schwersten Konflikt mit der Parteiführung zu kommen.“

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Nachdem Reformer und Linksliberale in der Folge des 19. Parteitages, auf dem liberale Strukturen und humaner Sozialismus akzentuiert wurden, Hoffnung auf die Verwirklichung demokratischer Modelle setzen durften, wurden sie späterhin von Konservativen und neo-stalinistischen Elementen zurückgedrängt. Heute sehen die parteiintern als Schöngeister ohne Realitätssinn bezeichneten Reformer nur eine Möglichkeit: den Austritt aus der Partei, da ihnen — wie Dr. Prager es formuliert — „innerparteilich große Schwierigkeiten gemacht wurden“. Besonders betroffen wurden Fortschrittliche vom Wiederaufleben bereits vergessen geglaubter Methoden. So gelang es konservativen Kräften, Beschlüsse zu untergraben oder „faktisch aufzuheben“. Als Beispiel nennt Dr. Prager jene am 20. Parteitag gefaßte Resolution, in der die Partei ihrer Beunruhigung über antisemitische Erscheinungen in sozialistischen Ländern Ausdruck gibt. „Aber dieser Beschluß wurde niemals veröffentlicht.“ Ohne sich mit den Ideen des von der KPI ausgeschlossenen Reformers Luigi Pintor zu identifizieren, stehen seine Worte: „Man kann ein guter

Kommunist sein, ohne in der KP zu stehen, und umgekehrt KP-Mitglied sein, aber kein guter Kommunist“ als Motto über der zukünftigen politischen Haltung der ausgetretenen Reformer. Und Dr. Prager bekräftigt, „niemand, der mit der KP-Führung in Konflikt geraten ist, hat die Absicht, sich einer anderen Partei anzuschließen; niemand will sich ins Privatleben zurückziehen“. Ihm schwebt „eine autonome Linksopposition vor“, deren „Position ein Reformkommunismus, orientiert am tschechoslowakischen Vorbild, ist“. In der politischen Geographie sind sie „zwischen KP und SP“ anzusiedeln und betonen, „die Diskussion nicht auf Leute, die den Sozialismus bejahen, zu beschränken“, sondern ganz ohne „sektiererische Rechthaberei“ mit allen, die dazu bereit sind, das Gespräch zu suchen. Und es zeigt sich immer wieder, daß die Ideen, die im Prager Frühling geboren wurden, den Panzern der Warschauer-Pakt-Mächte trotzen, denn „ein sozialistisches Modell muß ein demokratisches Modell sein“, und die Reformer ersehnen ein „Sozialismusmodell, das demokratisch und humanistisch ist“. Das Suchen nach einem neuen Modell beinhaltet

die Absage an einen kategorischen Imperativ der Kommunistischen Bewegung, die Absage „an die. Diktatur des Proletariats“ denn „in diesem Zeitalter der wissenschaftlich-technischen Revolution kommt der Intelligenz als gesellschaftliche Schicht eine hervorragende Bedeutung zu“. Diese kühnen Formulierungen durchbrechen die alten erstarrten Postu-late und stoßen die im Stalinismus wurzelnden und die Linie der KPÖ bestimmenden Funktionäre vor den Kopf. Und so nimmt es nicht Wunder, daß gerade die fortschrittlichsten Kräfte in unüberbrückbaren Gegensatz zur Parteiführung geraten und als letzte Konsequenz den Austritt wählen. Beispiel hiefür ist der von den Russen „auf den Misthaufen der Geschichte“ geworfene ehemalige Unterrichtsminister Ernst Fischer, der die Ideen der Reformer stark befruchtet. Dr. Prager und seine Freunde gehen weite Strecken konform mit Ernst Fischer, bewundern das utopische Element in seinen Gedanken, finden aber doch „Worte der Abgrenzung“. So wollen sie Fischers Forderung nach „totaler Revolution“, die er anläßlich seines 70. Geburtstages erhob, ersetzt wissen „durch die präzisere und realistischere Forderung nach totaler Reformation“. Diese „totale Reformation“ soll sich nicht nur auf alle Gebiete der Gesellschaft erstrecken, sondern auch „auf das eigene Denken“. Die KPÖ, die 1953 auf eine Wählerschaft von immerhin 228.159 Köpfen zählen konnte, ist endgültig zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken. Darüber, so munkelt man parteiintern, wird der Vorsitzende Franz Muhri, der 1965 aus der Steiermark nach Wien geholt wurde, stolpern. Er ist den Stalinisten zu weich, den Reformern zu stalinistisch.

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