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In Stein und in Kupfer
Als vor kurzem Alfred Hrdlicka Steinskulptur „Orpheus II” im Foyer des Kleinen Festspielhauses aufgestellt wurde, rückte diese interessante Künstlerpersönlichkeit auch ins Blickfeld des vorwiegend musikalisch orientierten Festspielpublikums, Die Begegnung läßt sich im Ausstellungspavillon des Zwerglgartens weiterführen; dort zeigt die Galerie Welz Arbeiten des Plastikers und Graphikers, der heuer die Bildhauerklasse der Sommerakademie leitet. Hrdlicka, Jahrgang 1928, ehemaliger Wotruba-Schüler, ist eine Erscheinung, mit der man sich auseinanderzusetzen hat, in der Zwangsläufigkeit einer ungewöhnlichen künstlerischen Potenz fand er, frei und ganz auf sich gestellt, zu einem eruptiven Realismus, der das Expressive zum Ausgangspunkt macht und die anatomischen Gegebenheiten diesem gebieterischen Maß absolut unterordnet, ln einer Welt der technischen Perfektion der Abstraktion und des allbeherrschenden Intellekts dringt hier einer mit wilden, zyklopischen Meißelschlägen zu den Quellen des urtümlichen Seins vor, stellt dem Roboter kolossale Maße der Körperlichkeit entgegen. Denn das Körperliche, vom Animalischen eines katzenhaft kauernden klumpigen Dirnenleibes bis zur seelischen Durchdringung der Physis in dem von Mänaden gejagten „Orpheus I” und dem hymnischen Aufschwung des „Orpheus II” bestimmt Hrdlickas von starkem Temperament getragenes Schaffen Der Plastiker arbeitet ausschließlich in Stein, findet die äußerste Konzentration im monumentalen Torso, wie von übermenschlichen Naturkräften vehement abgeschlagen. und dadurch zum Symbol des allen Schicksalsmächten preisgegebenen Menschlichen gesteigert. Ein Jünglingstorso von 1957 zeigt noch Nach klänge des tektonischen Aufbaus von Wotrubas „Schreitenden”; im „Gekreuzigten”, 1959 entstanden erscheint die Kontrapunktierung des Leiblich-Geistigen meisterhaft durchgeführt. Der „Rechte Schächer ist ein beklemmendes uraltes Götzenbild, im Gegensatz dazu das kreatürliche Verlöschen des „Linken Schächers”. Vorsätzlich verzichtet Hrdlicka bei diesen Figuren auf die ausgespannten Arme, ballt das Geschehen in den Leibern. Diese Konzentration, die nie aus dem Säulenoder Stelenhaften ins Pathetische der großen Gebärde ausbricht, charakterisiert Hrdlickas plastische Formensprache.
Arbeitet der Bildhauer in Stein, so gestaltet der Graphiker Hrdlicka auf der Kupferplatte. Es will scheinen, daß der Künstler Material braucht, das rein vom Handwerklichen seine Kräfte herausfotdert. Auch hier dominiert das Erlebnis des Fleischlichen, vielfach in seiner krassesten Form. Man muß schon bis zu Fehden Rops zurückgehen, um einen Vergleich zu finden. Grimmige Ironie enthüllt die Stumpfheit trunkener Dirnen mit welken Leibern. Keine Graphik für Zimperliche, doch ohne obszöne Hintergedanken. Von einer Moritat, einem Illus-Knüller über eine Massenmördern aus Liebe, ließ sich Hrdlicka zu seinem Radierungszyklus „Martha Beck anregen, spürte unter der Hülle billiger Sensation das Balladeske heraus, die Weise von Liebe und Tod im Absteigquartier. Manche der Randfiguren könnten fast von George Grosz sein, altmeisterlich dichte Strichlagen ver- schatten die Kompositionen, die Radiernadel wühlt Busen, Schenkel, grinsende Visagen aus der Düsternis. Hier ist Hrdlicka ganz Graphiker, der sich die strenge Technik der Radierung zu eigen machte und in seinen Blättern das Janushaupt der Lust zeigt: ins Gesicht sieht uns die Qual. — Vor dem Ausstellungspavillon, weiß und glatt, ein überdimensionierter Briefbeschwerer, Josef Thoraks „Cncernicus”. Wenige Schritte trennen zwei Welten der Kunst.
In der Galerie Welz selbst sind Aquarelle und Zeichnungen von Ernst Ludwig Kirchner, einem der Hauptvertreter der Dresdener Gruppe „Die Brücke”,
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