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Gesucht werden: Konservative Revolutionäre

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DIE FRANZÖSISCHE RECHTE. Vom Kampf um Frankreichs Ideologienpanzer. Von Armin Möhler. Konservative Schriftenreihe, Isar-Verlag, München. 86 Seiten. Preis 4.50 DM

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DIE FRANZÖSISCHE RECHTE. Vom Kampf um Frankreichs Ideologienpanzer. Von Armin Möhler. Konservative Schriftenreihe, Isar-Verlag, München. 86 Seiten. Preis 4.50 DM

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Der Name Armin Möhler ist den Lesern der „Furche" wohlbekannt. Wenigen aber wird in Erinnerung sein, auf welche nicht gerade alltägliche Art sich die erste Begegnung der „Furche" mit ihrem heutigen Frankreich-Korrespondenten abgespielt hat. Es war 1951. Damals erschien ein Buch mit dem Titel „Die konservative Revolution in Deutschland 1918 bis 1932“. Als Verfasser zeichnete der Schweizer Armin Möhler. Das Thema der Arbeit wie deren Durchführung erweckte das besondere Interesse des Rezensenten. Er zögerte nicht lange, unter dem Titel „Die Trotzkisten des Nationalsozialismus" („Furche“, 8. September 1951) sich mit Möhlers Thesen und Hypothesen über jene Gruppen und Bewegungen, die gegen die Republik von Weimar, gegen „das System“, aufbrachen und schließlich alle zusammen von den braunen Bataillonen überholt oder zum Einschwenken in die Marschkolonne veranlaßt wurden, an führender Stelle des Blattes kritisch auseinanderzusetzen. Ein Briefwechsel mit dem Autor folgte, der den ersten Eindruck eines scharfen Analytikers und selbständigen Denkers nur bekräftigte. Als der langjährige Pariser Mitarbeiter der „Furche“, Dr. Rudolf Lewandowski, in die Heimat zurückkehrte, richteten sich unsere Blicke sofort auf Möhler, der inzwischen für die Schweizer „Tat“ und die Hamburger „Zeit“ eine fruchtbare Frankreich-Berichterstattung eröffnet hatte. Von dem Ergebnis dieser Bemühungen konnten sich unsere Leser in der Zwischenzeit überzeugen.

Armin Möhler ist aber auch in Frankreich nicht ein „Korrespondent“ geworden, ein Journalist, der sich damit begnügt, die wechselnde Politik des Tages zu refh '.deren und für den ausländischen Leser zu interpretieren. Sein Streben geht nach wie vor dahin, hinter der Erscheinungen Flucht die geistesgeschichtlichen Hintergründe zu erforschen. Was liegt näher, als daß es dem Verfasser der „Konservativen Revolution in Deutschland“ reizt, einmal ein französisches Gegenstück zu schreiben. Die erste Frucht dieser hoffentlich in nicht allzu ferner Zeit einmal erfolgreichen Bemühungen ist das vorliegende kleine Buch.

Als Möhler vor genau einem Jahr sein Manuskript abschloß, setzte die Agonie der vierten französischen Republik gerade ein. Die Verwirrung der Begriffe strebte ihrem Höhepunkt entgegen. Der Begriffsklärung gilt deshalb ein guter Teil der vorliegenden Studie. So deckt sich schon das französische Wort „cpnserVateur“ inhaltlich nicht mit dem deutschen „konservativ“. Möhler zieht es deswegen vor, von der französischen Rechten zu sprechen. Aber auch hier stockt der Verfasser mehrmals — und der Rezensent mit ihm. Sehr gescheit fächert zum Beispiel Möhler die Kräfte, die nach der Niederlage von 1940 den achsenfreundlichen Staat von Vichy bildeten und die gerne gemeinsam als „rechts“ bezeichnet werden, auf und zeigt als Gegenstück nicht wenige „Rechte“ in den Reihen der Liberation und des „Freien Frankreich“. Sehr ernst zu nehmen auch seine Mahnung, die dem Vulgärmarxismus entlehnte Vorstellung, die Vermögen nehmen von links nach rechts zu, abzulegen. Das Großkapital stand zu einem ansehnlichen Teil im weder radikalen noch sozialistischen Lager des „Radikalsozialismus“ — die Partei der 3. Republik schlechthin.

Wo ist also der Kompaß, um durch den Dschungel der französischen Ideengeschichte und Innenpolitik einen Weg zu finden? Armin Möhler hilft sich, indem er auf der einen Seite alle jene Kräfte — mögen sie politisch etikettiert sein wie immer — sammelt, die politisch dem „Attentismus" huldigen und dem „Immobilismus“ verhaftet sind, geistig aber sich ein Ideenkorsett angezogen haben, an dem neben anderen Ludwig XIV. und Robespierre in gleicher Weise gearbeitet haben — und de Gaulle vielleicht heute arbeitet.

Des Verfassers Sympathien gelten dagegen jener „neuen Rechten“ (auf deutsch lies: konservativen Revolution), die „nicht an dem hängt, was gestern war, sondern aus dem lebt, was immer gilt“. Wo erblickt der Verfasser die Vorhuten dieses Frankreich? In dem Erwachen des „schlafenden Landes“, wie er die neuen Lebensregungen des oft gebrochenen, nie ausgerotteten Eigenlebens der historischen Landschaften Frankreichs nennt, ebenso wie in der späten Zurkenntnisnahme und Aufarbeitung der gallischen Frühgeschichte. Auch daß die französische Jugend stärkeres Interesse als je zuvor für andere Länder und ihre Denkmodelle bekundet, scheinen ihm Anzeichen einer Wandlung.

Dies alles sind geistige Phänomene, die vielleicht auch anders gedeutet werden können. Wie steht es aber auf dem spröden Boden der Politik? Hier ist der Verfasser sehr behutsam. Interessant ist, daß er alldem, was sich heute als „Rechte“ politisch in Frankreich vorstellt, sehr zurückhaltend entgegentritt. Der Rechtsradikalismus der Veteranen von Vichy und der Prätorianer von Algier findet seine offene Ablehnung. Wo aber ist sie, woher kommt sie, die „neue Rechte“? Kann man ihre Vorhuten wenigstens wahrnehmen? Vorsichtig, sehr vorsichtig, setzt Möhler seine Markierungen. Er sieht nur „Elemente“. Diese erkennt er — wir erinnern, daß die Broschüre vor einem Jahr abgeschlossen wurde — einerseits innerhalb eines so heterogenen Gebildes wie des Gaullismus, anderseits — und das wird wahrscheinlich viele verwundern — auch in dein nicht weniger komplexen, allgemein der klassischen Linken zugeordneten Mendėsismus. Ein Ministerpräsident Mendės-France unter einem Präsidenten de Gaulle wäre für Möhler vielleicht ein gutes Omen für die Formierung seiner „neuen Rechten“ auf der politischen Ebene gewesen. Nun: die Geschichte ist andere Wege gegangen. Noch wissen wir nicht, wo sie enden. Tragik0 der konservativen Revolution und ihrer Fahnenträger. Diesmal westlich des Rheins.

Muß ein Historiker über sie vielleicht einmal dasselbe notieren, was Möhler sehr nüchtern über alle Verfechter einer monarchistischen Restauration notiert: „Sie stehen schief zur Wirklichkeit und vermögen höchstens Entwicklungen auszulösen oder anzutreiben, die zu recht anderen Zuständen als zu dem von ihnen erträumten Idealzustand führen würden.“

Armin Möhler selbst hat schon einmal einer konservativen Revolution einen ähnlichen Nachruf gehalten.

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