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Besuch bei Armin Möhler

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Ein Abend in Bourg-Ia-Reine, dem Städtchen an den Ufern der Biėvre, ganz im Süden des Departements Seine. Der Mond steht über den Gärten. Ich suche meinen Weg in die Avenue du Panorama. Die Strafjen sind verlassen, man bleibt zu Hause; zu gewalttätig sind die Algerier, die den Ort terrorisieren.

Dann Empfang in der Nummer 25. Armin Möhler, der Basler, kommt mir entgegen: ein Mensch wie Brassens, denke ich, wie Vlaminck, ein bretonischer Bauer, blond, breitschultrig, behäbig, doch kein Bücherschreiber, Journalist, Archivbesucher. Hier ist das winzige Arbeitszimmer, vollgestopft mit Papieren, Aktenordnern, Journalen, auf Stühlen und Borden gestapelt. Schon wissenschaftlicher, etwas mehr den Erwartungen entsprechend. Wir nehmen Platz.

Möhler beginnt zu berichten, unbefangen, humorvoll: „Sie müssen wissen; ich bin ein Pedant. Nur so konnten meine beiden Bücher entstehen, von denen Sie sprechen. Ich konnte beide auf nichts gründen. Denn ich war der erste, der über die .Konservative Revolution’ umfassend arbeitete; auch über .Frankreichs Rechte’ gab es nur wenig Brauchbares, etwa die vorzügliche Darstellung Sorels durch Michael Freund. Viel Material galt als verschollen — heute steht es in meinem Archiv in Basel. Das französische Material liegt hier, denn die Arbeit an der .Französischen Rechten’ geht weiter. Das Bändchen, das 1958 in München erschien, ist nur eine Vorstudie.

Die konservative Revolution’ von 1950 fand viele Leser. Mancher wird durch Paul Fechter darauf aufmerksam geworden sein, der ein ganzes Kapitel seiner Literaturgeschichte nach meinem Plan ordnete. Dabei war erst gar nicht an einen Druck gedacht, hatte ich doch das Thema für die philosophisch-historische Fakultät in Basel als Dissertation bearbeitet. Karl Jaspers und Hermann Schmalenbach waren meine Lehrer, denn in Basel und Berlin habe ich Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte studiert.

1949 berief mich Ernst Jünger als Privatsekretär nach Ravensburg, die vier Jahre in jener Stellung waren mir sehr förderlich. Einmal brachte ich Jünger mit Gottfried Bonn zusammen, sehr zum Ärger ihrer Anhänger, die sich befeinden. 1953 ging ich nach Frankreich, hier lebe ich nun als Korrespondent für drei grofje Zeitungen mit meiner Frau und den beiden Buben, ein Wenig Zeit für meine Arbeiten bleibt mir nebenbei.

An den Wänden habe ich Photos von Carl Schmitt, Ernst und Friedrich Georg Jünger entdeckt, dann aber auch von den französischen Nationalisten Sorel, Barrfes, Drieu la Rochelle. Ich frage Möhler nach deren Bedeutung.

„Ich pflege mir Freund und Feind nicht nur durch das Lesen ihrer Werke, sondern auch durch den Anblick ihrer Person zu vergegenwärtigen. Seit ich ein Grammophon besitze, tritt als drittes der Ton hinzu. Erst ausgesprochen offenbart ein Satz seinen Charakter. Man mufj das hören: ,Tels sonf nos Franęais, dit Dieu, ils ne sont pas sans dė- faut. / Mais avec tous les döfauts, je les aime encore mieux que / tous les autres aves cencemenf moins de dėfauts’, um die ungeheure Verführungskraft des Pėguyschen Katholizismus wirklich zu begreifen.’

Wir betrachten einen Farbdruck nach einem Ölbild Klees, worüber sich das Gespräch auf die Malerei Wendet und auf den Dichterfreund Erhärt Kästner, der ihr so tiefe Deutungen gab, und von der Literatur auf den Basler Literaturprofessor Walter Muschg. „Ich kenne Muschg schon seit langer Zeit", sagt Möhler. „Er ist der bedeutendste Vorkämpfer Hans Henny Jahnns. Ich freilich habe in meiner Jugend unter ganz anderen Einflüssen gestanden, ich liebe heute noch den frühen Spifteler und seinen Prosa-,Prometheus’. Doch da ich unter den lebenden Dichtern Umschau halte, so finde ich allein Jahnn, von dem ich sagen möchte, er sei ein Genie.

In ihm begegnen wir einem Menschen, den man einmal an den Anfang einer neuen Epoche der Welt ‘::’" literatur wird stellen müssen.

Auf einmal, unterm Gespräch, schaut Möhler zur Uhr. „Es ist Mitternacht, wie im Fluge ging die

Zeit. Sie müssen sofort aufbrechen, wenn Sie nicht die letzte Verbindung nach Paris verfehlen wollenl

Wir treten auf die Strafe. Der Mond ist hinab. Ich frage: „Ist Ihnen Frankreich nicht ein wenig leid, nun Sie sieben Jahre im Lande sind?" — „Nun", sagt Möhler, „meine Frau freilich liebt Frankreich sehr. Mein eigenes Verhältnis zu diesem Lande aber ist zwiespältiger Natur: Manches bleibt mir fremd, vieles zieht mich an. Und dabei bin ich hier doch ein wenig in der Heimat, denn meine Vorfahren haben Frankreich als Hugenotten verlassen. Sie hiefjen Moulin, woraus man in der Baselbieler Jura dann Möhler machte. Von meiner Mutter her kam dann in dies protestantisch- alemannische Erbe ein Zustrom aus der katholischen, barocken Innerschweiz.

So stehe ich zwischen den Völkern, beiden im Blute verwandt und doch in manchem beiden fremd. Das aber scheint meine Aufgabe: in der eigenen Seele zusammenzukämpfen, was seit Jahrhunderten getrennt ist, und so rrtitzuwirken, die zerstörte Einheit Europas, die ja weit über alle Politik hinausgehf, neu und sicher zu fügen. Und das ist, so meine ich, bei aller Schwere ein schöner Dienst."

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