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Konservativ = nationalistisch?

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Die Verleihung des Konrad-Adenauer-Preises durch die Deutschlandstiftung in München in diesem Frühjahr hat ein Dilemma offenkundig gemacht, das seit 1945 in der deutschen Politik vorhanden ist: Es gibt in Deutschland zwar vieie Menschen mit einer konservativen Einstellung und einer konservativen politischen Meinung. Aber es gibt keine Konservativen, die ein konstruktives Element der Politik darstellen. Mit anderen Worten, es gibt keine rechtsgerichtete Alternative zur nationalistischen Rechten, und so sehr sich auch immer wieder rechtsgerichtete Gruppen bemühen, sich von den Nationalisten zu distanzieren: Es bleibt 'beim Lippenbekenntnis.

So hat auch die Verteilung eines auf je 10.000 D-Mark dotierten Preises an Armin Möhler, Bernt von Heiseler und Prof. Ludwig Freund, kaum daß sie publik geworden war, bereits zu großen Peinlichkeiten geführt. Denn nicht nur, daß die Auswahl der so Geehrten unbegreiflich blieb, weil weder Armin Möhler noch Bernt von Heiseler wirkliche Repräsentanten der . van der Deutschlandstiftung gepriesenen konservativen Haltung sind, sondern beide dem nationalistischen Lager angehören. Kaum nahm man die bis dahin unbekannt gebliebene Stiftung etwas unter die Lupe, als es dort ganz erheblich braun zu schimmern begann. Nicht nur, daß der wegen seiner NS-Vergangenheit bekannte und als Kolumnist durch seine Bücher mehr berüchtigt als berühmt gewordene Kurt Ziesel offenbar zu den engen Mitarbeitern dieser Stiftung gehört, zum fünfköpfigen Vorstand gehört auch Erich Maier, der frühere Außenpolitiker der Reichenberger Zeitung „Die Zeit“, dem NS-Organ von 1938/39 des Sudetengaues. Kurzum, es zeigt sich wieder die alte Mannschaft, und es war einer jener Skandale, über die man gern in Westdeutschland hinwegschweigt. Wobei es allerdings eine Frage bleibt, was der größere Skandal war: die Aufnahme von Männern des braunen Lagers in die Deutsohlandstiftung, einige Äußerungen des inzwischen verstorbenen Altbundeskanzlers Adenauer bei dieser Gelegenheit oder die Anwesenheit einer großen Gesellschaft bestrenommierter Köpfe, die gekommen waren, die Wiedergeburt eines deutschen Konservatismus zu erleben. Jedoch sind dies alles nur Symptome einer Entwicklung, die weiter zurückreicht: Die Konservativen sind eine der großen Unbekannten der Politik Westdeutschlands.

Es ist leider eine Tatsache, dal: sich in Deutschland die Konservativen niemals mit der demokratischen Staatsform versöhn! haben. Das war schon unter Bismarck so, führte in der Weimarer Republik zu der eigentümlichen, aber sehr zutreffenden Begriffsverbindung der „konservativen Revolution“ und hat schließlich viel dazu beigetragen, daß viele Konservative in Hitler eine große Hoffnung sahen, obwohl er nichts mit ihnen gemein hatte als allenfalls die Sprache.

Es ist heute eine unbestrittene historische Tatsache, daß die Deutschnationale Partei, in der sich die Konservativen nach 1918 fanden, und insbesondere ihr Vorsitzender Alfred Hugenberg mit die Hauptschuldigen an der Machtergreifung Hitlers waren, was nicht bedeutet, daß sie mit den Nationalsozialisten identisch gewesen sind. Schon damals, zu Beginn der dreißiger Jahre, begann dar Prozeß der Abhängigkeit der Konservativen von nationalistischen Schreiern, der bis heute andauert. Für die Konservativen war das Nationale so sehr zum Wert an sich geworden, daß sie kein Gespür für das völlig andere hatten, was mit Hitler heraufkam. 1930 trennten sich echt konservative Männer wie Graf Westerp, Schlange-Schönningen und der Minister unter Brüning Tre-viranus von ihrer Hitler in die Hände arbeitenden Partei. Sie fanden aber keine Resonanz bei den Wählern.

Was sich dann von 1933 bis 1945 abspielte, kann man die Tragödie der deutschen Konservativen nennen, wobei man freilich einschränkend sagen muß, daß sie durch ihre Propaganda in den Jahren 1918 zu einer politischen Verwilderung beigetragen haben, deren Nutznießer die Nationalsozialisten wurden.

Es hat lange gedauert, bis sich nach 1933 in diesen Kreisen Widerstandsgruppen bildeten, die dann freilich zum aktivsten Element wurden. Erst neueste Untersuchungen haben allerdings ergeben, daß auch im deutschen Widerstand die Trennung von konservativ und nationalsozialistisch nicht gelungen ist. Goer-deler hat noch im Mai 1944 geglaubt, Deutschland die Erfolge der hitlerischen Außenpolitik, also Österreich, das Sudetenland und Elsaß-Lothringen, erhalten zu können. Auch in den innenpolitischen Plänen hat man mehr an die Errichtung eines unpolitischen Obrigkeitsstaates mit straffen Ordnungsprinzipien als an demokratische Lösungen gedacht, die bis zuletzt von einem starken, und zwar gerade vom konservativen Flügel des Widerstandes strikt abgelehnt wurden. Allerdings haben selbst Sozialdemokraten in dieser Zeit insofern an der Anwendbarkeit der Demokratie für Deutschland gezweifelt, als sie Hitler für ein Kind der Demokratie hielten und zweifelten, daß das deutsche Volk dafür reif wäre. Diese im Widerstand weit verbreitete Ablehnung der Demokratie hat nach 1945 verhindert, daß aus dem konservativ bestimmten Widerstand eine starke konservative politische Bewegung hervorgegangen ist. So ist der Widerstand im demokratischen Deutschland bis heute ein Fremdkörper geblieben. Auch in der Zeit nach 1945 blieb diese Ablehnung demokratischer Prinzipien durch konservative Kreise, obwohl die Ära Adenauer teilweise auch konservative Züge trug. Dieses „pseudokonservative“ Lager, wie man es eigentlich nennen muß, blieb in einer politisch höchst naiven Art nationalistisch und hat nicht selten aus nationalen Gründen versucht, Hitler zu verteidigen, wobei es von der Verteidigung der hitlerischen Außenpolitik zum Anzweifeln der Zahl von sechs Millionen ermordeter Juden oft nur ein kleiner Schritt war.

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