6748954-1967_19_06.jpg
Digital In Arbeit

Eine Lanze fur Hoggan

Werbung
Werbung
Werbung

Das Dilemma, das sich hier auftut, erscheint unbegreiflich. Sowohl vom nationalen wie vom konservativen Standpunkt gibt es keine Person der deutschen Geschichte, die so sehr abzulehnen wäre wie Hitler. Selbst in seiner von vielen so bewunderten Außenpolitik hat er ja nur wie ein Bankrotteur alle Möglichkeiten verspielt, die es für Deutschland gab, und mit seinen Verbrechen hat ei den deutschen Namen, wie keiner vor ihm, besudelt. Trotzdem aber versucht man immer wieder in konservativen Kreisen das Dritte Reich wenigstens teilweise in Schutz zu nehmen. Insofern ist die Auswahl Armin Möhler, Bemt von Heiseler und Ludwig Freund nicht untypisch, Keiner von ihnen ist das, was man einen Nazi nennt. Aber während Möhler als Kolumnist in der „Welt“ gegen die Demokratie als politische Form angeht und es als schamlos empfindet, daß „in der Bundesrepublik eigene Büros eingerichtet worden sind, um auch den letzten deutschen Kriegsverbrecher aufzustöbern“, nennt Bernt von Heiselei die Nachkniegsgeschichtschreibung über das Hitler-Reich eine „gefärbte und vergiftete Speise“ und feiert die dilettantische Geschichtsklitterei des Amerikaners Hoggan, der Hitler von jeder Schuld am Kriegsausbruch 1939 freisprechen will, als „einen achtenswerten Mutbeweis“.

Man macht sich die Sache zu leicht, wenn man die Gruppe als politisch uninteressiert abtut. In einer Demokratie sollte ihrem Wesen nach jeder eine politische Heimat finden können. Auch gibt es in Deutschland mehr Menschen, als sich in den Wahlergebnissen niederschlägt, die national-konservativ gesinnt sind und bei denen immer die Gefahr besteht, ins nationalistische Fahrwasser abzugleiten. Die Situation von 1933, in der es Hitler gelang, die nationalen Kräfte vor seinen Karren zu spannen, ist latent in Deutschland immer noch da, auch wenn die Kräfteverhältnisse heute anders und die Situation damit ungefährlich ist. Der Wahlerfolg der NPD hat es gezeigt. Die Feier in München war so gesehen ein Symptom.

Nun gibt es immer wieder Konservative, die dem hier geschilderten Dilemma damit zu entkommen trachten, daß sie erklären, diese Konservativen wären gar keine. Daran ist natürlich etwas Richtiges. Wenn irgend etwas an diesen Kreisen konservativ im eigentlichen Sinn ist, dann die Rückbesinnung auf historische Traditionen. Auch diese Rückbesinnung wird aber nicht selten mit fragwürdigen Methoden betrieben. Ein Beispiel ist die Art, wie in diesen Wochen anläßlich dei 20. Wiederkehr der Auflösung des Landes Preußen die preußischer Traditionen in Deutschland wiedei gefeiert werden, wobei manchmal ir recht bedenklicher Weise Preußer als ein Ideal für die Gegenwart hingestellt wird. Das Nichthineinflnden-können in die Demokratie und das Festhalten am Ideal des Obrigkeitsstaates sind ebenso wie die Verquickung von konservativ und nationalistisch Probleme mehr der preußischen als der deutschen Geschichte die immerhin im 19. Jahrhunder den sehr lebendigen süddeutscher Parlamentarismus kennt. Die Substituierung der Verantwortung auf das Volk und das Heranführen de: Volkes an die politische Verantwortung sind Probleme, die auch durcl die vielgerühmten Steinschen Reformen nicht gelöst werden konnten die vielmehr im Ergebnis mehr di< unpolitische Lösung des deutscher Obrigkeitsstaates förderten. An dej Nichtbewältigumg dieses Problem! ist das kunstvolle und großartig Gebäude des preußischen Staate: schließlich gescheitert. Seine Tradition ist in Deutschland noch dmmei lebendig, und nicht selten wird Jen geschilderte konservative Haltung mit preußischen Traditionen begründet.

Auch diese Haltung entspringt jedoch nicht einer echt konservativ alte Formen weiterbildenden Gesinnung, sondern ist ein Zeichen eine] rein rückwärts gewandten, di Gegenwart verkennenden Haltung Gerade in den Wochen, in denen siel der Untergang Preußens zum zwanzigstenmal jährt, sollte man dabei weniger jenen straffen, auf ein Zie ausgerichteten Staat als ein Vorbik rühmen, als die Gründe aufzeigen die zu seinem Scheitern führten Daraus ergäbe sich nämlich die Möglichkeit, einen Teil der guten preußischen Tradition in die Gegenwart zv retten. Sie wären es wert, in eine] echt konservativen Bewegung füi die Demokratie nutzbar gemacht zi werden. Solange aber in Deutschland konservativ und nationalistisch bis nationalsozialistisch ebensowenii auseinandergehalten werden wie man glaubt, daß sich konservativ und demokratisch ausschließen, is1 dafür wenig Hoffnung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung