7134422-1997_41_01.jpg
Digital In Arbeit

„Einsamer, gekränkter Hund”

Werbung
Werbung
Werbung

DIEFURCHE: Noch ist wenig bekannt vom Leben des 48jährigen Franz Fuchs, dem kürzlich gefaßten 'Bombenhirn'. Ist für Sie als Familientherapeut und langjährigen Leiter der Lan-desnervenklinik in Linz die persönliche Entwicklung nachvollzieh- und verstehbar? HARRY MERL: Sein Einzeldasein zeigt, daß er ganz extrem auf seine Innenwelt angewiesen gewesen sein muß. Ohne Rücksprache, wahrscheinlich in ziemlicher Isolierung, vielleicht in einer Art Verbissenheit. Der Gemeindearzt hat sogar, glaube ich, von Schizophrenie gesprochen. Das deutet in Richtung einer Wahnentwicklung. Es muß also auch ein irreales Element vorhanden sein, das aber nachgewiesen gehört.

DIEFURCHE: Heißt das, er ist psychisch krank? MKRL: Wenn jemand ein sehr isoliertes Leben lebt - und das dürfte bei ihm von klein auf der Fall gewesen sein - dann spezialisiert er sich auf seine Intel -lektualität, während das Gefühl verarmt. Diese Spezialisierung führt dazu, daß der Intellekt benützt wird, um das Ge-

Fühl zu haben: ich bin jemand und ich kann was.

DIEFURCHE: Eine Art „verkanntes Genie”?

MERL: Nicht unbedingt, denn er ist ja nicht in seinen Fähigkeiten verkannt worden. Ver* kannt wurden die Vereinsamung und Einseitigkeit. Alle haben gesagt, er sei unauffällig und man wisse nichts über ihn. Auch die Eltern haben sich damit abgefunden zu sagen: der hat sein Zimmer und da geh'n wir nicht hinein. Sie hätten sagen müssen: was ist mit unserem Sohn los!?

DIEFURCHE: Wie ist das erklärbar?

MERL: So ein Verhalten findet sich relativ oft in Familien mit psychotischen Mitgliedern. Dort herrscht eine eigenartige Struktur mit verbogenen, verzerrten Kontakten. Ich arbeite schon sehr lange als Familientherapeut, auch mit Familien mit schizophrenen Mitgliedern. Dort findet sich immer diese charakteristische Kommunikation, die von den Beteiligten aber gar nicht als ungewöhnlich wahrgenommen wird, denn es sind alle an der Eigenartigkeit beteiligt.

DIEFURCHE: Sind diese Fakten als Erklärung ausreichend? MERl.: Man kann bei einem Menschen überhaupt nie genug Fakten haben, die die Frage nach dem „Warum?” beantworten. Wenn man von einer psychiatrischen Erkrankung ausgeht, dann muß ein gutes Gutachten diese belegen. Es kann natürlich auch sein, daß er nur ein vereinsamter, vereinzelter, verbissener Mensch ist, Handlanger oder Rädelsführer für andere.

DIEFURCHE: Ist er in Ihren Augen ein „besonderer lall”? MERL: Nur von den Taten her. Sonst würde ich eher sagen: er ist ein einsamer, gekränkter, armer Hund gewesen die ganze Zeit.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung