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Die Kleinbürger an der Macht
Das nächste Pulverfaß in Jugoslawien wird sichtbar: Mazedonien. Alle Parteien des dortigen Republiksparlamentes bekräftigten in einer Erklärung, dem Beispiel Slowenien folgen und sich von der jugoslawischen Staatsidee verabschieden zu wollen.
Das nächste Pulverfaß in Jugoslawien wird sichtbar: Mazedonien. Alle Parteien des dortigen Republiksparlamentes bekräftigten in einer Erklärung, dem Beispiel Slowenien folgen und sich von der jugoslawischen Staatsidee verabschieden zu wollen.
Jetzt, da die Journalisten, notgedrungen, Bruno Kreisky endlich in Ruhe lassen, nehmen sich die Publizisten seiner an. „Franz Schuh im Gespräch mit Bruno Kreisky", verkündet die Zeitschrift „Wespennest" in ihrer jüngsten Nummer, zerstreut aber in der Einleitung sofort den Verdacht, Lotte Ingrisch habe als bewährtes Medium wieder einmal ihre Kontakte mit dem Jenseits spielen lassen. Nein, es handelt sich um ein Interview, das Franz Schuh schon 1986 mit dem Altkanzler gemacht hatte und das dann irgendwie verschollen war.
Auch in diesem Gespräch ist Kreisky ein begnadeter Monologisierer, der noch posthum ein paar österreichische Phänomene enthüllt. Zum Beispiel, daß die Machtverschränkung Österreich zugrunde richte. Mit dieser Machtverschränkung „übertreffen wir die Mafia", findet Kreisky, und er definiert diese politische Erscheinung als „Monume.ntalisierung des Begriffs der Freunderlwirtschaft durch das Medium Heurigen".
Das zweite Phänomen, das der Großbürger Kreisky entdeckte, nennt er „Machtergreifung des Kleinbürgertums", die durch Julius Raab vorbereitet worden sei: „Das heißt, es werden rasch Leute mächtig, ohne einen zusätzlichen Faktor, nämlich ohne reich zu sein." Und weil bei uns, im Gegensatz zu England und Frankreich, die ganz reichen
Leut' verschwunden sind, „muß jetzt der Machthaber, auch der begrenzte Machthaber, rasch auch ein Besitzender werden..." Und dann folgt das Beispiel Androsch, der „in den Sündenfall hineingeraten" sei, „weil er eine Villa haben wollte, die viel größer war als das, was eigentlich für ihn möglich gewesen wäre..."
Das alles hat natürlich einiges für sich, obwohl es merkwürdig ist, daß hier ein alter Sozialdemokrat indirekt für den finanziell abgesicherten Großbürger in der Politik wirbt. Kleinbürger Androsch, von dem Kreisky erzählt, dieser habe schon „mit 35 oder 36" den Wunsch geäußert, Präsident der Nationalbank zu werden, erläutert in einer Stellungnahme zu dem Interview ausführlich den Gesundheitszustand des Altkanzlers und bemerkt, daß solche schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen natürlich auch „persönlichkeitsstrukturelle Folgen" haben müßten.
In der Tat deutet es auf eine schwere Gesundheitsschädigung hin, wenn ein Österreicher, wie Bruno Kreisky in diesem Interview, den Verfaulungsprozeß eines Staates damit zu erklären sucht, daß die Bürger „alle kein schlechtes Gewissen haben wollen". Und auch die Anregung, darüber nachzudenken, „wie man diesem Land wieder seinen Genierer zurückgibt", kann nur einer Niereninsuffizienz entspringen.
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