Lust an der Macht? Das war einmal ...

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Exklusivinterview mit dem Bundeskanzler über Themen jenseits der Tagespolitik. die furche 2. 3. 1983

Die Furche: Sie und Ihre Partei haben seit vielen Jahren die Macht in Österreich. Immer wieder versichern Philosophen und Soziologen, daß jede Art von Macht zum Machtmißbrauch verführe.

Bruno Kreisky: Das könnte prinzipiell der Fall sein, aber nicht in der Demokratie, in die Sicherheitselemente gegen Machtmissbrauch eingebaut sind - in der Verfassung, durch eine freie Presse. Aber schon bloße Klugheit gebietet denen, die Einfluß ausüben, sich freiwillig Schranken aufzuerlegen. So hat meine Partei meiner Empfehlung zugestimmt, daß eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Instrumente des Staates, die Nationalbank, der Führung unseres intelligentesten Gegners anvertraut wurde. Denken Sie aber auch an die höchsten Befehlsstellen im Bundesheer, die Leiter der Höchstgerichte, die keine Parteigänger der spö sind, denken Sie an den Bundespräsidenten!

Die Furche: Daß die Betrauung der Nationalbankführung mit Stephan Koren ein geschickter Schachzug von Ihnen war, schrieb auch die "Washington Post". Im selben Artikel hieß es aber auch: "Kreisky gibt zu, dass die aus der Macht stammende Erregung ihm Appetit auf ein Verbleiben im Amt gemacht habe."

Kreisky: Na ja, seinerzeit - aber jetzt nicht mehr. Ich habe kein Machtbedürfnis. Aber sich durchsetzen wollen, das ist etwas anderes. Ich habe noch die Demütigung Österreichs und damit auch seiner Menschen in früheren Zeiten in Erinnerung. Darunter litt ich. Dass heute von Österreich in aller Welt, von gescheiten Amerikanern und auch in Beduinenzelten, mit Respekt geredet wird, erfüllt mich mit Genugtuung. Natürlich danken wir dies auch den Leistungen von Renner, Raab, Figl, Schärf ...

Die Furche: Glauben Sie nicht, dass die Jugend die Schwarzweißmalerei der Parteien, wonach alles Eigene großartig und alles vom Gegner böse ist, als abstoßend empfindet?

Kreisky: Immer hat sich die Jugend nur zum Teil und erst einige Zeit nach dem 20. Lebensjahr für Politik interessiert, wenn es um unmittelbare Lebensinteressen geht. Und immer formuliert die Jugend pointierter. Sie fordert heute "einseitige Abrüstung" - Ausdruck einer großartigen Gesinnung, aber da muß man ihr eben klarmachen, daß dies der Weg in den nächsten Krieg wäre, weil eben ein gewisses Gleichgewicht notwendig ist. Aber wir waren in unserer Jugend doch auch nicht anders. Die Jungen werden sozusagen physiologisch gegen die Alten recht behalten. Deshalb muß sich rentieren, was wir für sie investieren - auch moralisches Kapital.

Die Furche: Apropos "physiologisch Recht behalten" - in seinen Lebenserinnerungen schreibt Manès Sperber, dem Sie sich ja stark verbunden fühlen: "Meinen Körper mochte ich nicht ... Ich habe ihn zuweilen wie einen lästigen Begleiter empfunden." Sie holen aus Ihrem kranken Körper immer wieder erstaunliche Reserven heraus.

Kreisky: Sperber und ich kommen aus zwei unterschiedlichen Kulturbereichen. Ich habe trotz all dessen, was ich mitmachte, ein glücklicheres Leben geführt. Ich bin eine sehr frohe Natur, lache gern, freue mich gern. Ich habe immer ein gutes Verhältnis zu meinem Körper gehabt. Dass ich gewisse Sportarten wie Tennis oder Schifahren auf Rat meiner Ärzte nicht mehr ausübe (schwimmen darf ich noch), darunter, das gebe ich zu, leide ich, wenn auch in Grenzen. Aber bis auf meine Niere bin ich ein relativ gesunder Mensch mit guten Befunden. Aber mit 72 hat man halt kleinere Gebrechen. Trotzdem macht mir ein 10-, 12-Stunden-Arbeitstag keine Probleme.

Die Furche: Zur "Arbeiter-Zeitung" sagten sie einmal, je älter Sie würden, um so weniger fürchteten Sie das Sterben. Was bedeutet für Sie persönlich der Tod?

Kreisky: Sehr viel mehr als an mich denke ich an die Menschen, die ich zurücklasse. Ich halte nichts von Denkmälern. Ich bin mir der Vergänglichkeit aller dieser Dinge bewußt. Ich werde froh sein, wenn die Zeit, in der ich in Österreich maßgeblich mitzubestimmen hatte, in guter Erinnerung bleibt. Wenn mir die Zeit bleibt, was ich hoffe, werde ich sicher noch ein Buch schreiben, weil ein Mensch mit vielen Erinnerungen an Menschen und Ereignisse diese nicht sang- und klanglos mit sich nehmen darf.

Die Furche: Alles Gute fürs Buchschreiben, Herr Bundeskanzler!

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