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SPO vor 20 Jahren: Bruno K. tritt an im „Bruegelland“

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Inmitten konservativer Blütezeit — Anfang Februar 1967 — schüttelte die SPÖ eine schwere Krise. Ein Wechsel im Parteivorsitz sollte den Konflikt zwischen Bruno Pittermann und Franz Olah beilegen, der 1966 die SPÖ aus der Mitregierung geworfen hatte. Der aussichtsreichste Kandidat war Hans Czettel. Zu aller Uberra-

schung gewann am 1. Februar 1967 aber Bruno Kreisky am Parteitag die Mehrheit.

Noch konnte man nicht wissen — sogar Gerd Bacher vom Reform-ORF unterschätzte es -, daß Kreisky 1970 Josef Klaus als Bundeskanzler ablösen werde.

Bis dahin hatte Kreisky der Öffentlichkeit vorgezeigt, man müsse nicht grundsätzlich in einem Bruegelland leben. So waren zwei Bewegungen entstanden, die dem Bruegelbild Fasching und Fasten“ hätten entstammen können. Ausnahmsweise siegte der Fasching. Die Düsternis von Klaus eignete sich nicht, daß die Wähler weiterhin dem Fasten vertrauten.

Die erste Zeit der Regierung Kreisky erweckte Hoffnungen auf . Reform und Modernisierung. Diese sollten aus bislang

unterdrückten Traditionen und wiedererweckten Geistesgeschichten belebt werden, um ein ,JZlein-Welt-österreich“ erstehen zu lassen.

Es sollte künftig nicht nur den Vergleich mit der „Welt“ nicht zu scheuen brauchen, sondern auch an Ort und Stelle solle eine bessere Politik als je zuvor sein. Bruegelland werde sich also sehen lassen können: industriell und sozial, kulturell und überhaupt!

Wie sprichwörtlich fleißige Zwerge hämmerten, leimten und schraubten ein Dutzend Minister auf der Weltbühne den Kulissenzauber Österreich. Es war eine Freude. Man polierte das Land auf Hochglanz und sonnte sich im Glanz von Glück und Fleiß.

Am Höhepunkt des Erfolgs war man sicher, Österreich ist ein Welt-Modell; es könne selbst Große beschämen und die Kleinen dieser Erde ermuntern. Wohin man auch schaute, Österreicher waren überall: in Straßburg, in New York ...; und wenn sie nicht leibhaftig präsent sein konnten, so wenigstens in Form von Kulturtaten in Ausstellungen und Samm-

lungen.

Das Bruegelland war in einer wundersamen Metamorphose. Wäre in Rom noch ein Papst aus Österreich hinzugekommen, hätten gewiß alle Zeitungen berichtet, das Reich Karls VI. sei wiedergekehrt.

Doch Märchen haben auch dunkle Punkte: Auch die gemalte Pracht bei Bruegel zeigt merkwürdige Fratzen und boshaftes Gelichter. Und wirklich hatte sich im Windschatten Kreiskys ein Haufen vormaliger Zwerge breitgemacht und begonnen, die Glücksgüter an Ort und Stelle aufzuzehren oder beiseite zu schaffen.

Freilich bemerkte das der glückliche Regent des Landes nur am Rande. Die Verzückung, in tausend Spiegeln das Land wachsen und gedeihen zu sehen, hatte ihn so gefangengenommen, daß er meinte, das Glück sei die Tochter seiner Zeit. Es war aber nur das gleiche Bruegelland wie eh und je.

Die Welt- und Großprojekte, die dem Land weiteres Ansehen hätten bringen sollen, waren bald im Ruf, mehr eigen- als gemeinnützig verwaltet zu werden; Leute, die bislang für flei-

ßig galten, waren plötzlich auch sehr reich; die ganze, vormals biedere Gesellschaft entpuppte sich im Fasching als egoistische und lebenshungrige Kompanie, daß man hätte meinen können, diese würden noch die Grundrechenarten abschaffen.

Da hatte eine\ schon dreihundert Konti bei der Bank, ein anderer sandte die Tante mit Mil- ' Honen rund um die Welt, ein dritter versenkte ein Schiff, der nächste betrieb in der Freizeit ein Waffengeschäft, und dieser betrog Hunderte Mieter; nur einem erging es wirklich schlecht: als Unschuldiger mußte er ins Gefängnis und verlor alle Ämter. Und sein U-Richter? Wo, glauben Sie, landete dieser im Bruegelland...?

Das alles gab es über viele Jahre. Ein bitteres Märchen geht nicht schnell vorbei: Bis hierher war es nur das Vorspiel für „Le Grand Macabre“. Wie lange werden die Akte noch dauern? In der Oper von Györ-gy Ligeti stirbt der „Große Makabre“ mit einem furchtbaren Fluch: Das Bruegelland werde ein Komet zerstören oder der Tod, obwohl er im Bruegelland doch schon tot ist.

Eine Toccata, von zwölf Auto-hupen gespielt, läßt die Brue-gelländer glauben, sie fühlen sich im Himmel genauso wie auf der Erde: 1987.

Der Autor ist Dozent für Soziologie an der Universität Wien.

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