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Die „kritische Intelligenz“

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Der österreichische Akademikerbund ist ein sogenannter Zweckverband der ÖVP, aber ein Zweckverband eigener Ant. Sein Verhältnis zur österreichischen Volkspartei wurde niemals in den 16 Jahren seit seinem Bestehen durch Statuten, sondern durch die jeweilige politische Situation, auf die sich die führenden Funktionäre dieses Bundes einzustellen wußten, geregelt. Mit seinen Forderungen nach Demokratiereform, Ernstnehmen der sozialen Marktwirtschaft, der Forschungsförderung und anderem mehr bereitete der Akademikerbund den Boden für die vielzitierte, aber dann von den dafür Verantwortlichen nicht immer ganz ernst genommene „Reform“ vor. „Die Reform ist nun abgeschlossen“, verkündete man dann in der ÖVP nach dem Wahlsieg von 1966 etwas voreilig. Es war ein merkwürdiger Zufall — oder es hatte doch vielleicht tiefere Gründe —, daß die Teilnahme des Akademikerbundes an der politischen Arbeit der Volkspartei am geringsten in den vier fetten Jahren des Reformers Klaus war.

Zusammenarbeit nicht planmäßig

Der österreichische Akademikerbund hat heute in der Person des ÖVP-Klubobmannes Prof. Koren einen Präsidenten, der viel mehr als einst Karnitz in der Partei „integriert“ erscheint, ja zu deren oberstem Triumvirat gehört. Trotzdem kann man auch heulte kaum von einer planmäßigen Zusammenarbeit zwischen ÖVP und Akademikerbund sprechen. Der Grund dafür dürfte nicht zuletzt darin liegen, daß Pläne und Verwirklichung manchmal verschiedene Gesichter haben. Ein Beispiel dafür sind die Arbeitsausschüsse, anfangs auch Schattenministerien genannt, in der ÖVP. In diese Anschüsse wurden jeweils Mitglieder des Akademikerbundes mit beratender Stimme aufgenommen. Ein Zusammenwirken zwischen ÖVPlern und Akademikerbündlem gerade in diesen Gremien wäre gewiß vorteilhaft gewesen, zumal die Ausschüsse infolge des dort vorherrschenden hündischen Proporzes in wichtigen Fragen immer wieder lahmgelegt wurden; in solchen Fällen hätten vielleicht nicht zuletzt die Delegierten des Akademikerbundes eine gewisse ausgleichende Funktion als fachlich beschlagene Berater oder einfach im Namen der nicht immer hündisch lokalisierbaren politischen Vernunft ausüben können. Es wollte aber nicht gelingen, vielleicht nur deshalb, weil die Ausschüsse immer seltener zusammentraten, einige wohl überhaupt nicht mehr, man hört jedenfalls von dieser »geheimen Front“ der ÖVP wie auch von den programmatischen Arbeiten der Kärntnerstraße seit geraumer Zeit nichts.

Versuch einer Basiserweiterung

Diese „totale Funkstille“ benützte der Akademikerbund zu einem Schritt, der in der Öffentlichkeit immerhin einiges Aufsehen erregte. In der vorweihnachtlichen Abschlußphase der politischen Herbstsaison kündigte er nämlich eine „Öffnung“ seiner Reihen durch mit-

adbeiterwillige und mitarbeitsfähige Nichtakademiker — Intellektuelle, JJntemehmer, Manager, Künstler, Journalisten und sonstige Angehörige einer „kritischen Intelligenz“ an. Der Akademikerbund will damit eine beachtenswerte, aber von der ÖVP bisher nicht viel beachtete Gruppe von Staatsbürgern direkt ansprechen, deren Bedeutung als sogenannte „fluktuierende Wäh- lerschicht“ seit Jahren ständig wächst, wie Generalsekretär Doktor Zimmer-Lehmann betont.

Blickrichtung auf Volkspartei

Es ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert, daß der Akademikerbund gleichzeitig mit seinem Versuch einer Basiserweiterung seine Eigenständigkeit erneut betont. Darin unterscheidet er sich nach wie vor von dem Bund Sozialistischer Akademiker, Intellektueller und Künstler (BSA), der bekanntlich in einem viel näherem Verhältnis zur Sozialistischen Partei steht und sich als denen integrierender Bestandteil empfindet. Man geht kaum fehl in der Annahme, daß die Initiative des Akademikerbundes nicht zuletzt auch darauf angelegt ist, die ÖVP selbst an den Sinn ihres Namens zu erinnern, solange noch Zeit ist. Denn der Parteivorsitzende der SPÖ strebte schon vor den letzten Wahlen mit seinen 1400 Experten, unter denen sich auch viele Nichtsozialisten befanden, nach jenen Öffnungen, die in der ÖVP gerade während der letzten vier Jahre zunehmend in Vergessenheit geraten

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