„Linksdrall“, Humanität und die Kirche

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Findet in der österreichischen Politik ein Schwenk nach links statt? Oder nur eine Wiederaufwertung humanitärer Politik, die rechts-konservativen Parteien abhanden gekommen ist? Ein Gastkommentar.

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Findet in der österreichischen Politik ein Schwenk nach links statt? Oder nur eine Wiederaufwertung humanitärer Politik, die rechts-konservativen Parteien abhanden gekommen ist? Ein Gastkommentar.

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Seit Wochen wird heftig über den „Linksruck“ in der SPÖ unter dem neuen Parteichef Andreas Babler debattiert, ebenso über die erstaunlichen Erfolge der KPÖ in Graz und Salzburg. Auffällig ist, dass es sich bei diesen „Links“-Zuordnungen sehr oft um humanitäre politische Anliegen handelt – wie etwa den Einsatz für Flüchtende, den Ausgleich der größer werdenden Arm-Reich-Schere, die Kinderrechte, leistbares Wohnen speziell für sozial schwächere Gruppen u.a.m. Während die ÖVP – vornehmlich in der Sozial- und Migrationspolitik – immer mehr nach rechts driftet und sich an ihre finanzkräftigen Lobbys gebunden fühlt, scheinen grundlegende humanitäre Anliegen und der Einsatz für Schwächere zum (alleinigen?) Markenzeichen der Linken zu werden.

Die KPÖ-Erfolge in Graz und Salzburg unterstreichen diesen Eindruck und zeigen, dass eine durch persönliches Engagement glaubwürdig gestaltete Politik im Interesse der sozial Schwächeren Erfolg haben kann. Auf die Frage, wie sie den Vergleich ihrer Maßnahmen mit der Caritas finde, hat die Grazer KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr übrigens diese Antwort gegeben: „Das ehrt mich.“ Und den SPÖ-Slogan „Soziale Politik für Österreich“ ordneten bei einer jüngeren Market-Umfrage die meisten Befragten ebenso der Caritas zu. Hat christlich-caritatives Denken und Handeln heute also einen Bezug zu den neuen „linken“ Strömungen?

Ja zu „sanften Pushbacks“?

Das führt auch zur Frage der Positionierung der Kirchen im Rahmen des Parteienspek-
trums: Im Bereich der Flüchtlingsfürsorge etwa liegen die Kirchen konträr zur Regierungsmehrheit und stehen den Grünen und der SPÖ näher als der sich immer noch als „christlich“ bezeichnenden ÖVP. Was etwa die Caritas-Präsidenten Franz Küberl und Michael Landau oder Bischof Hermann Glettler zur Flüchtlingspolitik sagen, ist implizit eine massive Kritik an den ÖVP-Positionen. Innenminister Gerhard Karners Befürwortung „sanfter Pushbacks“ (Zurückweisung ohne Asylantragsprüfung), die Rede von Lagern an den EU-Außengrenzen oder von einer „Festung Europa“ durch seine Vorgängerin, Johanna Mikl-Leitner, widersprechen christlichen Grundhaltungen. Das aktuelle Drama des Schiffsunglücks vor Griechenland mit hunderten Toten verdeutlicht die Problematik.

Im Gegensatz dazu hat der neue SPÖ-Chef Babler in seiner von Flüchtlingen überlaufenen Stadt Traiskirchen bewiesen, dass die zum Thema Nr. 1 stilisierte Migrationspolitik keiner antihumanitären Verrenkungen wie die führender ÖVP-Politiker(innen) bedarf, um Erfolg zu haben. Dann nämlich, wenn humanitärere Politik nicht nur auf Flüchtende, sondern auch auf die in anderer Weise Notleidenden im eigenen Land achtet.

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