SPÖ und Bürgerliche: Mit Babler "ein Stück des Weges gehen"?

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Wie Bruno Kreisky buhlt auch Andreas Babler um bürgerliche Stimmen. Doch die heutige SPÖ zeigt sich proletarischer denn je. Ein Gastkommentar über die Spitzen der beiden (ehemals) großen Parteien - und einen politischen Diskurs "am Limit".

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Wie Bruno Kreisky buhlt auch Andreas Babler um bürgerliche Stimmen. Doch die heutige SPÖ zeigt sich proletarischer denn je. Ein Gastkommentar über die Spitzen der beiden (ehemals) großen Parteien - und einen politischen Diskurs "am Limit".

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Nach den regionalen Wahlen in Salzburg geben wir unsere Stimme bald wieder ab: international in rund drei und national in rund sechs Monaten. Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind dabei – weit mehr als das Ergebnis vom Sonntag – ein Gradmesser für die Wahlen zum hiesigen „Hohen Haus“. Welche Regierung der Bund nach dem Herbst des Jahres haben wird, ist unsicher: eine Koalition entweder Mitte/Rechts oder Mitte/Links; eine mit oder ohne ÖVP; eine mit oder ohne SPÖ etc. Nur eines ist gewiss: Eine „Große“ Koalition wird es nicht mehr geben. Denn drei Mittelparteien haben die beiden einst großen abgelöst. FPÖ, SPÖ und ÖVP vereinigen jeweils rund 25 Prozent auf sich. Das doppelte Problem: Erstens steht die FPÖ nicht in der Mitte, sondern ist extrem; und zweitens ist die ÖVP, anders als die aktuelle SPÖ, nicht mehr radikal. Das heißt: Ihrer Praxis fehlt die Theorie. Oder: Sie weiß zwar, für welches Klientel sie etwas tut, aber nicht, wegen welchen Wertes.

Rückblende: Eine wirklich „Große“ Koalition aus ÖVP und SPÖ mit rund 90 Prozent der Stimmen hatte es bis 1966 gegeben, als der christdemokratische Reformer Josef Klaus (dessen antikapitalistischen Affekt der Salzburger Kommunist Kay-Michael Dankl unlängst im ORF betonte) die Regierung mit der SPÖ nicht weiter fortsetzte, sondern allein regierte.

Verachteter „Kleriko-Faschismus“

Bruno Kreisky wiederum sprach schon vor 1970 davon, „ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen“. Damit meinte er aber kein Revival einer Regierung der SPÖ mit der ÖVP. Denn ein „Geist der Lagerstraße“, wie er unter inhaftierten Christ- und Sozialdemokraten zwischen 1938 und 1945 entstanden war, blieb dem Asylanten in Schweden in dessen Verachtung eines „Kleriko-Faschismus“ von 1933 bis 1938 stets fremd. So entstand Kreiskys erste Regierung mit Duldung und Deckung der FPÖ und ehemaliger Nationalsozialisten.

Was Kreisky mit dem Zitat sehr wohl meinte und worin ihn Andreas Babler imitiert, ist ein Angebot an Bürgerliche, SPÖ zu wählen. Anders als Kreisky lässt Babler dem Impuls nach außen aber keinen nach innen folgen: nämlich den einer parallelen „Verbürgerlichung“ seiner Bewegung. Die SPÖ ist heute – was kein Vorwurf an Babler ist, sondern dessen Entwurf folgt – proletarischer denn je. Während Kreisky den Habitus eines Citoyens pflegte, symbolisiert Babler das Gegenteil. Vergleichen wir allein die Sprache, so kommt die Differenz drastisch zur Geltung. Nicht nur Journalisten bestätigen: Ein Interview mit Kreisky war ein Genuss. Er kannte Anfang und Ende von Sätzen, er wusste um Pointen von Worten – in Summe alles, was Babler nicht beherrscht.

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