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Ethik zwischen Sagen und Zeigen

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Ludwig Wittgenstein hat in seiner inzwischen berühmt gewordenen „Lec-ture on Ethics" einmal formuliert, „daß, wenn einer ein Buch über Ethik schreiben könnte, das auch wirklich ein Buch über Ethik wäre, dieses Buch gleich einer Explosion alle anderen Bücher der Welt vernichten würde."

Daß Wittgenstein der Ethik einen bedeutsamen Platz einräumte, auch wenn er von der Unsagbarkeit ethischer Sätze überzeugt war, ist inzwischen des öfteren betont worden. Das Generalthema des fünften Internationalen Wittgenstein-Symposiums in Kirchberg am Wechsel, das in der Woche vom 25. bis 31. August rund 300 Philosophen und Wissenschaftler vereinigte, war diesmal „Ethik: Grundlage, Probleme und Anwendungen". Es konnte mithin mit Fug an Wittgensteins Denken selbst anknüpfen, aber auch eine der zentralen und vielleicht wichtigsten Fragestellungen philosophischen Denkens der Gegenwart aufwerfen.

Wenn auch die Kirchberger Kongresse traditionell im Zeichen einer analytischen und wissenschaftstheoretischen Ausrichtung stehen, zeigte sich doch gerade am Thema Ethik zunehmend die Notwendigkeit über bloße Sprachkritik - mit und im Anschluß an Wittgenstein - hinauszugehen.

Zwar spielten innerschulische Auseinandersetzungen innerhalb der sprachkritisch-analytischen Ethik nach wie vor eine große Rolle, doch die Ausstrahlungen der ethischen Fragestellung in ihre Anwendbarkeit in Ökonomie, Gesellschaftswissenschaften, Jurisprudenz und Medizin waren nicht zu übersehen.

Der von den Veranstaltern vorgetragene Wunsch, „Klarheit in die Verworrenheit" zu bringen (L. Hübner in seinen Eröffnungsworten), sollte in einer Vielzahl von Plenarsitzungen und Sektionen realisiert werden. Neben der Thematisierung des Denkens Wittgensteins wurde Deontik und Metaethik, Handlungs- und Entscheidungstheorie ebenso behandelt wie Ethik und Recht, Ethik und Ökologie, Ethik und Medizin, Ethik und Religion.

Wittgensteins Denken wurde von Brian Mc Guiness (Oxford), dem verdienten Herausgeber und Nachlaßwalter, in seinen frühesten Anfängen als Realismus dargestellt. Stephan Körner (USA) verwies in seinem Eröffnungsvortrag auf viele Einflüsse, denen Wittgenstein ausgesetzt war, darunter auch auf Parallelen zur deskriptiven Jurisprudenz des römischen Rechtes.

Wie sehr Wittgenstein selbst wiederum die ethische Diskussion der verschiedenen Strömungen des analytischen Lagers beeinflußt hat, wurde ebenso deutlich wie die Tendenz, aus der bloß deskriptiven Beschreibung sittlicher Urteile zu deren Verwirklichung überzugehen. Von der Ökonomie (Wolff) über das Problem der globalen Gerechtigkeit (Nagel) bis zu Fragen der ökologischen Ethik (Birnbacher, Wu-ketits) bis zu Problemen der Euthanasie, der Genetik und des Anarchismus (Billing) spannte sich hier ein Bogen, in dem die Frage der Realisierung und Anwendbarkeit ethischer Theorien und Grundsätze als vordringlich erachtet wurde.

Daneben gab es freilich auch viel Theoretisches, vornehmlich in den bekannten Debatten zur Deontik, zu Metaethik und Handlungstheorien, im Für und Wider von Emotivismus und Intuitionismus (v. Kutschera), von transzendental beeinflußten Positionen und reinen Analytikern.

Daß ein eminentes Bedürfnis nach Ethik, ja deren Notwendigkeit innerhalb der vielschichtigen Problemstellungen unserer Zeit, artikuliert wurde, mag für einen Kongreß mit dem Thema „Ethik" nicht allzusehr überraschen, ebensowenig wie die Tatsache, daß Klarheit in die Verworrenheit zu bringen gerade bei einem derartigen Thema eine unendliche schwierige Aufgabe darstellt.

Wittgensteins frühe - und später etwas revidierte - Uberzeugung, daß Sätze der Ethik eigentlich nicht gesagt, sondern nur gezeigt werden können, erwies sich so als Anstoß und Provokation, wie auch als Aufgabe.

Dem Zeigen entsprach immerhin eine eigene Sektion „Ethik und Kunst", ebenso wie das Rahmenprogramm der Ausstellung „Signatur Kirchberg" (P. Gangl, I. Swossil-Lissow), auch hier wohl dem Geiste Wittgensteins Tribut zollend, für den ja Ethik und Ästhetik bekanntlich nicht nur in eins fielen, sondern auch ins Schweigen führten.

(Univ.-Prof. Dr. Peter Kampits ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Beim Kirchberger Symposium hielt er einen Vortrag zum Thema „Das Problem der Ökologie als Herausfor--derung für die philosophische Ethik.")

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