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Weniger Bürokratie

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Der Entwurf umfaßt zwölf Paragraphen und soll laut Friedrun Huemer, Abgeordnete zum Wiener Landtag, erneut eine Kulturdebatte in Gang setzen. Die Wiener Grünen wollen auch in Wien Kulturförderung auf eine gesetzliche Grundlage stellen (in allen übrigen Bundesländern ist dies ja bereits der Fall), um Bürokratismus, Manipulation und eine Politisierung der Kultur hintanzuhalten.

Schwerpunkt im vorliegenden Entwurf sind die Förderung der Gegenwartskunst und -kultur, die Entfaltung kultureller Aktivitäten allgemein, die Selbstentfaltung der Persönlichkeit durch schöpferische Betätigung sowie die Erweiterung des Bildungsangebotes mit dem Ziel eines gleichberechtigten Zuganges. Auch kompensatorische Maßnahmen sollen dabei berücksichtigt werden. Mindestens zwei Prozent des Gesamtbudgets soll die Gemeinde Wien für diese Kulturförderung zur Verfügung stellen.

Schriftliche Ansuchen müssen das zu fördernde Vorhaben beschreiben, einen detaillierten Finanzierungsplan unter Angabe der Gesamtkosten und deren Deckung durch Einnahmen enthalten. Der Förderungswerber verpflichtet sich, die Förderungsmittel ausschließlich widmungsgemäß zu verwenden und einen Verwendungsnachweis vorzulegen.

Besonders der Wunsch der Wiener Grünen, zur Beurteilung und Wirksamkeit von Kulturförderungs-maßnahmen ständige Fachbeiräte und zur Beratung in grundsätzlichen Fragen einen Landeskulturbeirat einzurichten, stößt auf Kritik. Das Gegenargument, daß Beiräte nur ein scheindemokratisches Instrument wären und daher von Entbürokrati-sierung eigentlich keine Rede sein könne, ist ja nur allzu legitim. Obwohl die für Kultur- und Kunstförderungen aufgewendeten Mittel erst jüngst wieder erhöht wurden, besteht laut Grünen für die öffentliche Hand derzeit keine Verpflichtung, Kunst und Kultur zu fördern. Da Entscheidungen nicht immer transparent und nachvollziehbar wären, sei es durch die weitgehende Freistellung, ob und was gefördert würde, für im Kulturbereich Tätige oft schwer möglich, die Kriterien einer etwaigen Förderung abzuwägen.

Das Argument, Investition in die Zukunft sei auch eine verstärkte Be-wußtmachung von Kultur und Kunst in der Gesellschaft, erwecken den Anschein der Sinnhaftigkeit dieses Gesetzesentwurfes. Gesetze sind jedoch kein Allheilmittel, vor zu hohen Erwartungen muß gewarnt werden! Schon gar führt die Aussage, ein Wiener Landeskulturförderungsgesetz richte sich auch gegen mögliche kulturpolitische Maßnahmen der FPÖ, höchstens zu weiteren polemid-schen Diskussionen.

Der religiöse Ludwig Wittgenstein Von Wolfgang Kraus

Die vorerst für 15 Bände geplante „Wiener Ausgabe” Ludwig Wittgensteins, herausgegeben von Michael Nedo mit Unterstützung des Österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung im

Springer Verlag Wien-New York, wird zweifellos das Interesse der Wissenschaft, aber auch der Öffentlichkeit noch mehr auf das Werk und die Persönlichkeit dieses in Wien geborenen und aufgewachsenen Philosophen richten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, also noch zu Lebzeiten Wittgensteins (er starb 1951 in Cambridge) wurde er den damals jungen Intellektuellen im Westen vor allem als der aufregendste und attraktivste Vertreter des Neopositivismus präsentiert. Logik und die neuen Errungenschaften der Logistik wurden mit Wittgenstein in Zusammenhang gebracht, und der „Tractatus logico-philösophicus” galt, wie Ingeborg Bachmann 1953 schrieb, „sozusagen als die Bibel des wissenschaftlichen methodologischen Denkens unserer Zeit”.

Nach Wittgensteins Tod wurden erst die „Philosophischen Untersuchungen”, die Tagebücher, die Geheimtagebücher, Mitschriften der Vorlesungen und zahlreicher Gespräche bekannt, die der Suhrkamp-Verlag, herausgegeben von Wittgensteins damals noch lebenden Freunden, äußerst verdienstvoll edierte. Statt des „kritischen Empiristen” zeigte sich in ihnen ein tiefreligiöser Denker, der immer wieder die Evangelien und das Christentum erwähnte und in dessen Tagebüchern sich unzählige Gebete finden. Ein Wittgenstein erstand, den man neben Pascal stellen möchte.

Der berühmte letzte Satz aus dem „Tractatus”: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen” erhielt plötzlich eine unerwartete Bedeutung. Er war nicht mehr ein Hinauswurf der Religion und Metaphysik, sondern eine kühne Strategie zu deren Rettung. Der Logiker wandte sich nicht von der religiösen Mystik ab, sondern grenzte die Logik von innen her ein und öffnete weit das Tor zur Religiosität. Die posthumen Schriften zeigen den Auftakt zum späteren Wittgenstein. Erst der ganze Wittgenstein läßt den berühmten „Tractatus” richtig verstehen, seine Entdeckung wird noch viel Aufsehen erregen und erhebliche Resonanz finden.

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