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Wittgenstein und der Positivismus

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Positivismus ist Wissenschaftsglaube und Metaphysikfeindschaft. Beides war Wittgenstein ganz fremd, und insbesondere die Idee einer wissenschaftlichen Philosophie.

Der Drang zur Metaphysik ist dem Positivismus ein Laster, das die offene Gesellschaft bedroht, und das bekämpft werden sollte. Für Wittgenstein ist dieser Drang ein Leiden, in dem sich das Menschsein kundtut, und dem man zu Hilfe eilen möchte. Moralische Entrüstung ist hier fehl am Platz, und mit Wissenschaftlichkeit nicht viel auszurichten. „Wissenschaft“ ist übrigens kein wissenschaftlicher Begriff, sondern ein ideologischer, und als solcher verfilzt und voller Zweideutigkeiten, die immer beunruhigender zum Vorschein kommen.

BOGUSLAW WOLNIEWICZ

(Bei den hier abgedruckten Meinungen zum philosophischen Konzept Wittgensteins handelt es sich um Auszüge aus Referaten, die während des Kongresses in Kirchberg am Wechsel gehalten wurden und die auch nicht als Publikationen erhältlich sind.)

118. Woher nimmt die Betrachtung ihre Wichtigkeit, da sie doch nur alles Interessante, d. h. alles Große und Wichtige, zu zerstören scheint? (Gleichsam alle Bauwerke; indem sie nur Steinbrocken und Schutt übrig läßt). Aber es sind nur Luftgebäude, die wir zerstören, und wir legen den Grund der Sprache frei, auf dem sie standen.

119. Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgendeines schlichten Unsinns und Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze der Sprache geholtįhat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen.

120. Wenn ich über Sprache (Wort, Satz etc.) rede, muß ich die Sprache des ‘Alftįi s’ rddfeii: J äi SpfaeHbetWä1 zu gröfc, hläterieTT,’ für da s;’ Was ivib sa- gen wollen? Und wie wird denn eine andere gebildet? - Und wie merkwürdig, daß wir dann mit der unsern überhaupt etwas anfangen können!

Daß ich bei meinen Erklärungen, die Sprache betreffend, schon die volle Sprache (nicht etwa eine vorbereitende, vorläufige) anwenden muß, zeigt schon, daß ich nur Äußerliches über die Sprache Vorbringen kann.

Ja, aber wie können uns diese Ausführungen dann befriedigen? - Nun, deine Fragen waren ja auch schon in dieser Sprache abgefaßt; mußten in dieser Sprache ausgedrückt werden, wenn etwas zu fragen war!

Und deine Skrupel sind Mißverständnisse.

121. Man könnte meinen: wenn die Philosphie vom Gebrauch des Wortes „Philosophie“ redet, so müsse es eine Philosophie zweiter Ordnung geben. Aber es ist eben nicht so; sondern der Fall entspricht dem der Rechtschreib-’ lehre, die es auch mit dem Wort „Rechtschreibelehre“ zu tun hat, aber dann nicht eine solche zweiter Ordnung ist.

Es ist eine Hauptquelle unseres Unverständnisses, daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht übersehen. - Unserer Grammatik fehlt es an Übersichtlichkeit. - Die übersichtliche Darstellung vermittelt das Verständnis, .welches e.ben darin bestellt,, daß wtf aidįŽuįaiTiirtehhantfe sehėrf’tįja- heF die Wichtigkeit des’FinÖ&fis iiKd des Erfindens von Zwischengliedern.

Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundlegender Bedeutung. Er bezieht unsere Darstellungsform, die Art, wie wir die Dinge sehen. (Ist dies eine „Weltanschauung?“)

122. Ein philosophisches Problem hat die Form: „Ich kenne mich nicht aus“.

LUDWIG WITTGENSTEIN (aus: „Philosophische U ntersuchungen“)

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