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Musik war ihm Handlung

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Der am 30. Mai 1901 in Wien Geborene hat, wie so viele Wiener, nicht in seiner Heimatstadt Karriere gemacht. Nach technischen Studien und anschließendem Schauspielunterricht ging er als Schauspieler in die deutsche Provinz, begann bald Regie zu führen, wurde Oberspielleiter in Basel (1927) und Frankfurt (1934 bis 1936), wirkte in Zürich (1938 bis 1940) und in Berlin (Schlllertheater, 1940 bis 1944, Hebbeltheater, 1945 bis 1947). Gastspiele führten ihn unter anderem zu den Salzburger Festspielen („Figaros Hochzeit“, 1942) und ans Wiener Burgtheater, wo er zwischen 1947 und 1950 „Die Räuber“, ..Die Irre von Chaillot“,, John Gabriel Borkman“ und „Der Widerspenstigen Zähmung“ inszenierte, um erst 1974 mit dem „Käthchen von Heilbronn“ wiederzukehren (ein Opernplan mit Webers „Freischütz“ hatte sich zerschlagen). Seine letzte Wiener Arbeit war der „Torquato Tasso“ vom vergangenen Juni, dem Faust I und II hätten folgen sollen.

Als seine Lebensaufgabe betrachtete Walter Felsenstein sein Wirken an der Komischen Oper in Ostberlin, an die er 1947 als Intendant berufen wurde, wo ihm, dem Schwierigen und Nicht-Konformisten, die Möglichkeit geboten wurde, die schon In den dreißiger Jahren zusammen mit Caspar Neher ausgearbeitete Konzeption eines modernen Musiktheaters zu verwirklichen. In unermüdlicher und unerbittlicher Arbeit entwickelte er mit seinem Ensemble ein realistisches, von allen Konventionen befreites Spiel, suchte die Grenze zwischen Sprech- und Musiktheater zu überwinden, schuf eine Synthese zwischen Opernsänger und Schauspieler, den Sängerdarsteller. „Musik ist Handlung“ war eine seiner Maximen, Musik nur dann für ihn akzeptabel, wenn sie einen Inhalt ausdrückte. Diese Handlung und diesen Inhalt wollte er so partiturgetreu wie irgendmöglich realisieren, ohne allerdings auf der Originalsprache zu bestehen; er suchte sich vielmehr dem Original durch neue deutsche Textfassungen zu nähern (z. B. „Carmen“, „La Traviata“).

Es ist Walter Felsenstein zwar nicht gelungen, ein kulinarisches

Opernpublikum (wie etwa das Wiener) dahin zu bringen, eine fabelhafte Inszenierung mit mäßigen Sängern vorzuziehen, den Opernsänger konventioneller Prägung, der von der Rampe aus seine Arien ins Publikum schmettert, hat er aber doch endgültig der Lächerlichkeit preisgegeben. Und er hat uns gelehrt, daß Oper mehr sein kann als ein Potpourri schöner Stimmen und schöner Weisen: dramatische, wahrhaftige Handlung, eben — Musiktheater.

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