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Offen und couragiert

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Unser politisches System steht mitten im Umbruch. Auch der neue Bundespräsident wird seine Rolle neu definieren müssen. Die Verfassung gibt ihm dafür genügend Raum.

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Unser politisches System steht mitten im Umbruch. Auch der neue Bundespräsident wird seine Rolle neu definieren müssen. Die Verfassung gibt ihm dafür genügend Raum.

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Hätte ich den Posten eines Bundespräsidenten auszuschreiben, so würde das etwa so aussehen:

„Gesucht wird eine Persönlichkeit über 35, mit großer politischer Erfahrung im In- und Ausland (Auslandsaufenthalte erwünscht), unabhängig, entscheidungsfreudig, couragiert und beharrlich („Steherqualitäten“).

Gute Kenntnisse der zwischenstaatlichen Gepflogenheiten und des österreichischen Verfassungsrechts (wohl auch der österreichischen Verfassungswirklichkeit).

Sonstige juristische Kenntnisse erwünscht, aber nicht Bedingung. Dasselbe gilt für parlamentarische Erfahrung und/oder Erfahrung in der Führung eines Regierungsressorts.

Tadelloser Leumund.

Ethisch fundiertes Menschenbild (human oder christlich), kein Hang zum Fundamentalismus, statt dessen Offenheit und die Fähigkeit zum Ausgleich von Gegensätzen. Deutliche Präferenz für das Land und seine Leute gegenüber irgendwelchen Institutionen und ihren Funktionären. Muß Menschen mögen und leidfähig sein.

Gutes Auftreten, herzeigbare „First Lady“ günstig, aber nicht unbedingt erforderlich.“

Diese Kurzcharakterisierung gilt für einen Bundespräsidenten, der mehr sein will als ein Staatsnotar. Er soll „Nein“ sagen können, wenn ihm die Regierung rein parteipolitisch motivierte Ernennungen vorschlägt, oder wenn ihm ein Parteiführer eine Regierung zumutet, die zwar der Erhaltung der Macht, aber nicht dem Wohl des Landes dient.

Der Bundespräsident soll eine eigene Meinung haben und den Satz „Alles, was ich bin, bin ich durch die Partei“ nie in seinem Wortschatz geführt haben.

Er soll nicht nur ein mahnendes Gewissen (ohne Folgen), sondern auch ein deutlicher Zielgeber und beharrlicher Korrektor in Sachen des Staatsganzen sein.

Wir leben in keiner Zeit für gefällige Plüschtiere, sondern brauchen kantige Persönlichkeiten mit klaren Zielen — sonst versum-pert Österreich in den Zustand eines Indianerreservats mit garantiertem Taschengeld und fixer Lustzuteilung.

Sehr weit weg davon sind wir ohnehin nicht. Das letzte Jahrzehnt hat in Osterreich kaum die Selbständigkeit und Mündigkeit des einzelnen Bürgers gefördert, sondern weit eher seine Abhängigkeit und Untertänigkeit.

Noch nie war das Parteibuch so wichtig für eine persönliche Karriere oder auch nur für eine anständige Wohnung wie heute. Das englische Modell von Regierung und Opposition ist in der österreichischen Praxis zu einer permanenten Wadelbeißerei verkommen. Wenn der eine A sagt, muß der andere B sagen. Wir sind offenbar keine Engländer. Uns fehlt der Sinn für Disziplin und Fairneß (wer das nicht glaubt, soll einmal auf dem Flughafen eines maritimen Ferienorts den „Run“ der Nationen auf das verspätet eingetroffene Flugzeug beobachten. Die Skala der Disziplinlosigkeit reicht von den Griechen, Österreichern und Jugoslawen über die Deutschen, Holländer und Schweizer bis zu den Skandinaviern und Engländern).

Mächtige Organisationen und Institutionen reden dem Österreicher pausenlos ein, daß er ohne ihre Unterstützung nicht existieren kann - permanente Krückenlieferanten, die Angst um ihre Arbeitsplätze haben.

Leistungsstarke Unternehmer und Manager muß man bereits mit der Lupe suchen. Statt dessen grassiert die Ideologie des Nulltarifs und der Gießkanne. Das soziale Prinzip ist bereits in die hohen und höchsten Etagen gerutscht: nach dem Gesetz des weichen Falles nach oben werden Spitzenfunktionäre der Politik nach ihrem (parteipolitisch motivierten) Hinausschmiß in hochdotierte Wirtschaftspositionen gehievt.

In dieser Situation muß es ein deutliches Signal zur Umkehr geben. Dieses Signal kann nur von den Bürgern selbst kommen. Sie haben jetzt bei der Wahl des Bundespräsidenten Gelegenheit dazu. Wer gegen das stetige Versum-pern Österreichs und für eine nationale Regierung des Konsenses ist (bei verstärkter direkter Demokratie), der sollte diesmal zum Schmied gehen und nicht zum Schmiedl. Auch wenn er derzeit eine Frau ist.

Der Autor ist Professor für Privatrecht an der Universität Graz und Klubobmann der ÖVP im steirischen Landtag.

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