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Sturm im Wasserglas

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Die diesjährige politische Sommerpause benutzten Vertreter der Bundesregierung und des Gewerkschaftsbundes dazu, öffentlich den sogenannten Wirtschaftsgesetzen abzuschwören. Unter dem Druck des Gewerkschaftsflügels erklärte Bundeskanzler Kreisky, daß etwas geschehen müsse, um diese anachronistischen Gesetze aus der Welt zu schaffen. ÖGB-Präsident Benya wollte die Preisstützungen für Grundnahrungsmittel durch ein differenziertes System der Subventionierung sozialer Gruppen ersetzen. Kreisky setzte, wie das zu seinen Regeln der politischen Kunst gehört, ein Komitee ein, um entsprechend» Vorschläge für Parteienverhandlungen zu erarbeiten. Über das Ergebnis der Arbeiten dieses Komitees wurde nichts bekannt, Parteienverhandlungen fanden trotz mehrfacher Umgrenzen nie statt.

Die Zeit zwischen der Sommerpause und der politischen Herbstarbeit verging im Flug, neue Probleme tauchten auf, die Position der Regierungspartei wurde durch empfindliche Niederlagen bei den Arbeiterkam merwahlen und den Landtaigswahlen in der Steiermark und in Vorarlberg erschüttert, andere Probleme wurden erfunden, wie etwa das der Vorverlegung der Nationalraitswahl. Die Problematik rund um die Wirtschaftsgesetze schien in der Öffentlichkeit fast in Vergessenheit zu geraten, doch damit war für die Bundesregierung nichts gelaufen, weil bis Ende 1974 die Wirtschaftsgesetze auf jeden Fall prolongiert oder aber eben (mit Zwei-Drittel-Mehrheit) geändert werden müßten.

Nun liegt die Regierungsvorlage im Entwurf da, die inhaltliche Substanz der Wirtschaftsgesetze blieb nahezu unverändert, Änderungen werden bloß beim Marktordnungsgesetz, und zwar bei der Zusammensetzung des Milchwirtschafts-, Viehverkehrs- und Getreideausgleichsfonds, vorgeschlagen. In diese Fonds sollen auch Vertreter des Gewerkschaftsbundes delegiert werden können. Das also war das Ergebnis des Sturms im politischen Wasserglas.

Der Vorschlag der Bundesregierung ist problematisch, weil damit erstmals Vertreter eines Vereins, und nichta anderes ist der Gewerkschaftsbund, in diese öffentlich- rechtlichen Fonds delegiert werden sollen. Damit, so könnte man argumentieren, würde der machtpolitischen Bedeutung des Gewerkschaftsbundes Rechnung getragen. Gegen dieses Argument sind Fragezeichen angebracht: ist die Macht des Gewerkschaftsbundes nicht ohnedies bereits so groß, daß es heute schwerfällt, den Unterschied zu einem „Gewerkschaftsstaat” herauszuarbeiten? Ob man für diese Zwecke tatsächlich ein verfassungsrangiges Gesetz ändern soll, ist eher zu bezweifeln. Die rechtspolitischen Bedenken ergeben sich einfach daraus, daß der Gewerkschaftsbund eben nur ein Verein ist, der größte vor dem ÖAMTC. Und der könnte dann schließlich auch einmal mit der Forderung kommen, daß nur aus seinen Reihen der Verkehrsminister zu besetzen ist und daß aus seinen Reihen Funktionäre für die Besetzung von Positionen in allen Verkehrspolitisch relevanten Gremien und Körperschaften geholt werden müssen.

Da die Bundesregierung in dieser Sache so viele Federn hat lassen müssen, ist zu-erwarten, daß sie für den verbliebenen Rest an Änderungen — und zwar immer unter Gewerkschaftsdruck — wird kämpfen müssen. Nach dem letzten Stand der Dinge scheint die Volkspartei gar nicht abgeneigt, ein wenig nachzugeben und die Gewerkschaftsforderung zu erfüllen. Schon im Hinblick auf neue politische Konstellationen und die Neuwahlgerüchte will es sich die ÖVP mit dem Gewerkschaftsbund unter gar keinen Umständen verderben. Deshalb — der Bauernbund dürfte keine wesentlichen Einwände geltend machen (im Sommer mußte er schließlich Ärgeres befürchten) — ist mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Wirtschaftsgesetze sang- und klanglos über die parlamentarische Bühne gehen werden.

Nach den zahlreichen Theaterdonnerschlägen im letzten Sommer bleibt freilich ein bitterer Nachgeschmack zurück. Um das, was nun präsentiert wurde, eine Gesetzesmaus, zu erreichen, wurde noch vor wenigen Monaten von einzelnen Sprechern gleich die ganze Wirtschaftsordnung in Frage gestellt. Erklärungen der Parteichefs zu dieser Frage waren auch nicht dazu angetan, Gegensätze abzutragen.

Da es aber noch immer kein probates Ersatzgesetz für die Marktordnung gibt (obwohl auch schon vor der Regierung Kreisky daran herum- getüftelt wurde), muß man die Bundesregierung vom Vorwurf der Inaktivität freisprechen. Hier gab es nichts Sensationelles zu holen.

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