Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Was wollen wir vom Staatsoberhaupt?
Eine einzelne, zentrale Führerpersönlichkeit ist den Österreichern nicht erst durch sieben finstere Jahre Nazi-Barbarei suspekt. Das grundsätzliche Mißtrauen gegen den zentralen Führer zählt vielmehr zu den wesentlichen Bauelementen unserer österreichischen Bundesverfassung: Sie teilt die Macht auf verschiedene Ebenen und Bereiche auf und räumt keinem einzelnen eine alleinige Führerstellung ein.
Diesem Grundgedanken folgt Man-fried Welan in seinem soeben - und wenige Tage vor der Wahl am 26. April - präsentierten Buch über das Amt des Bundespräsidenten: „Unser Gemeinwesen tritt nicht in einer Person auf. Tausende Amtsinhaber sollen das Ganze im Sinne des Gemeinwohls repräsentieren." Das beginnt bei den Obersten Organen und reicht bis zu den 2.300 Bürgermeistern auf Gemeindeebene. Woraus der Rechtswissenschaftler den Grundsatz herausschält: „Mündige Bürger brauchen keinen großen Führer, aber sie brauchen viele kleine."
Das soll den Stellenwert des bevorstehenden Wahlganges nicht schmälern, denn selbstverständlich kommt dem Bundespräsidenten im System unserer repräsentativen Demokratie eine Sonderstellung zu - gerade durch die Volkswahl.
Seine theoretische Machtfülle ist aber eben vielfach beschränkt und an andere Amtsträger gebunden, ja selbst die ureigensten Befugnisse wurden bisher zurückhaltend wahrgenommen: Kein Kanzler, keine Bundesregierung - nicht einmal 1933 - wurde etwa bisher vom Bundespräsidenten entlassen. Noch nie - nicht einmal in den Jahren 1933 und 1934 - hat ein Amtsinhaber das Notverordnungsrecht praktiziert. Die Beurkundung der Verfassungsmäßigkeit wurde von allen Bundespräsidenten im Sinne der Parlamentsmehrheit vollzogen.
Weil eben der normale Staat ein Normenstaat im guten Sinn sein soll, beantwortet sich für Welan auch die Frage nach geeigneten Kandidaten für das erste Amt im Staat. Die beste Verfassung ersetze nicht den Charakter, sondern setze ihn voraus. Man brauche daher „nicht Herrscher, die ein übermenschliches Maß in sich aufgenommen haben, sondern anständige Menschen, die rechtlich und redlich ihr Amt wahrnehmen". Darüber hinaus sollten wählerisch aber auch jene Erwartungshaltungen (FURCHE 15/1992) miteinbezogen werden, denen der nächste Bundespräsident als Repräsentant dieser Republik besonders zu entsprechen hätte. Auch wenn am Sonntag niemand die absolute Mehrheit schafft: Die Rolle, die man dem künftigen Staatsoberhaupt zumißt, wird sich schon für die Stichwahl am 24. Mai abzeichnen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!